Kohlekommission – Problemlöser oder Problem in der Klimakrise?

 

Gastbeitrag auf dem Onlineforum der hbpa:

 

 

Anfang Juni hatte die Bundesregierung nach diversen großkoalitionären Ressortunstimmigkeiten endlich die Einsetzung der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (auch „Kohlekommission“ genannt) beschlossen. Mittlerweile fand sich das 31-köpfige Gremium zum 2. Plenum zusammen, und auch die beiden Unterarbeitsgruppen „Energiewirtschaft und Klimaziele“ und „Wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsplätze in den Regionen“ tagten bereits gesondert zu den beiden Großthemen, die unter dem Kommissionsdach behandelt werden.

 

Die Zeit ist knapp, denn bis Ende des Jahres soll die Kommission einen Abschlussbericht vorlegen. Dieser soll zwei Dinge behandeln: Wie der Wandel in den Kohleausstiegs-Regionen sozial und wirtschaftlich gut gelingt, vor allem aber auch, wie Deutschland endlich wieder verlässlich beim Klimaschutz wird. Bei ersterem gibt es nach den bisherigen Sitzungen Grund zu vorsichtigem Optimismus. Mit Blick auf die Klimakrise sieht es allerdings eher düster aus – der am Tisch stark vertretenen Kohlelobby sei „Dank“.

 

Projektionsfläche und klimapolitisches Feigenblatt

 

Es rächt sich, dass die Bundesregierung ihre klimapolitische Verantwortung vollständig auslagern will. Für nahezu jede meiner parlamentarischen Nachfragen nach notwendigen und zusätzlichen Anstrengungen gegen die Klimakrise musste in den letzten Monaten die Kohlekommission als Projektionsfläche herhalten:

Wie will die Bundesregierung die von ihr zu verantwortende „Handlungslücke“ beim Klimaziel 2020 möglichst klein halten? Das soll die Kohlekommission entscheiden! Welche zusätzlichen Vorschläge zu Reduktionsmaßnahmen bei der Kohleverstromung wird die GroKo angesichts einer größeren Zielverfehlung in die Kommissionsarbeit einbringen? Man will der Arbeit der Kohlekommission nicht vorgreifen! Was ist mit dem Thema CO2-Bepreisung als wirksames Instrument in der Klimakrise? Teile der SPD wollen das in der Kommission besprechen, CDU-Wirtschaftsminister Altmaier dagegen am liebsten gar nicht! Leider versagt die Große Koalition bei der wichtigen Zukunfts- und Menschheitsfrage komplett.

Dabei haben wir Grüne während der Jamaika-Sondierungsgespräche 7.000 bis zu 10.000 Megawatt Kohlekraftwerksleistung zur Abschaltung bis 2020 schon längst ausverhandelt. Wenigstens ein politisches Bekenntnis der GroKo hierzu würde notwendigen Druck erzeugen für brauchbare klimapolitische Ergebnisse. Und die Umweltverbände fordern längst 17.000 Megawatt bis 2020 abzuschalten.

Nach dem Versagen bei den Klimazielen 2020 wird die Bundesregierung nun nicht müde die Klimaziele für 2030 hochzuhalten. Diese sehen eine Emissionssenkung um mindestens minus 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 vor, und sollen nun aber wirklich eingehalten werden.

Politisch hat sich die Bundesregierung somit nun vielleicht etwas Zeit erkauft, aber es ist klar, dass die notwendigen Treibhausgas-Reduktionspfade nun nur umso steiler nach unten zeigen. Die Anstrengungen vor allem zum klimafreundlichen Umstieg im Verkehrssektor werden umso größer, je später mit den notwendigen Maßnahmen wie Elektromobilität, Vorgaben für vernünftige CO2-Grenzwerte bei PKW, dem Ausbau des ÖPNV, dem Umstieg von der Straße auf die Schiene oder dem Abbau von klimaschädlichen Subventionen begonnen wird.

 

Schnell und konsequent gegen die Klimakrise & für neue Perspektiven – Moratorium ist Voraussetzung

 

Wir Grüne werden kritisch hinschauen: Die Kommissionsarbeit darf nicht zu einer weiteren Verzögerung im Klimaschutz werden. Hierfür gibt es auch keine Entschuldigung, denn auch mit Blick auf den Braunkohleausstieg liegen die Konzepte und Ideen bereits auf dem Tisch. Neben einem ernsthaften und rechtssicheren Abschaltplan der 20 dreckigsten Kohlekraftwerke bis 2020 muss eine regionale Verteilung gewährleistet werden, um die soziale Ausgewogenheit der Regionen im Einklang mit der Netzstabilität zu bringen. Darüber hinaus muss eine schrittweise Folgeabschaltung bis 2030 durch regelmäßige Überprüfungen der Zielerreichung implementiert werden. Die regelmäßige Zielüberprüfung gilt auch für den konkreten Maßnahmenkatalog für die zu rekultivierenden Regionen und die betroffenen Beschäftigten, um den Strukturwandel als Chance nachhaltig zu gestalten. In diese Richtung gehend könnte die Kommission tatsächlich Problemlöser sein, klima- wie strukturpolitisch Großes leisten und wichtige Vorarbeiten – etwa für ein wirksames Klimaschutzgesetz – liefern.

Allerdings ist für ein vertrauensvolles Arbeiten in der Kommission, aber für allem auch für die Akzeptanz der Arbeit „draußen“ essentiell, dass während der Kommissionsarbeit ein Moratorium für neue Kraftwerke und Inbetriebnahmen sowie Erweiterung und neue Tagebauplanungen und -erweiterungen verhängt wird. Kurz gesagt: es kann nicht sein, dass der Hambacher Forst unter großem Protest weiter rasiert wird, während die Kommissionsrunde im Wirtschaftsministerium vermeintlich nach gesellschaftlich akzeptierten Lösungen sucht. Das wissen auch Wirtschaftsminister Altmaier oder Ministerpräsident Laschet. Sie stehen hier in der Verantwortung ihr gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen, um ein Moratorium herzustellen.

 

Der Irrtum der Kanzlerin

 

Wenn es eine Klammer gibt, die die beiden Spektren der Kommissionsarbeit zusammenfügt, dann sicher die, dass es hier in jedem Fall um die Lebensbedingungen von Menschen geht. Sei es im größtmöglichen globalen Maßstab der Klimakrise, oder sei es – sehr konkret in den Kohleausstiegs-Regionen – im Hinblick auf die Beschäftigungsbedingungen oder den Abriss von ganzen Dörfern und Kirchen. Die derzeitigen Extremwetterereignisse mit schlimmen Waldbränden in Griechenland und sogar Schweden und Dürren mit Schäden in der Landwirtschaft erinnern uns wieder daran, dass die Klimakrise bei uns angekommen ist. Weiterwurschteln und Nichtstun sind keine Option. Klimaschutz nützt den Menschen!

Es ist daher völlig unverständlich, warum Kanzlerin Merkel – wie zuletzt erneut in ihrer Sommerpressekonferenz – immer wieder einen künstlichen Unterschied zwischen verantwortungsvoller Klimapolitik und der „Zukunft der Menschen“ aufmacht. Klimapolitik ist Zukunftspolitik und bietet auch konkrete Chancen für Wirtschaft und Beschäftigung. Dies hat der unerwartete Boom der Erneuerbaren Energien bereits gezeigt.

 

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