10-H Murks: Er zeigt beispielhaft warum die CSU eine Gefahr für Bayern ist

Gestern wurde nun die 10-H Abstandsregelung verabschiedet. Dieses Thema ist ein gutes Lehrstück für das Selbstverständnis der Staatsregierung. Selbst für nicht am Thema Energie Interessierte, zeigen sich hier beispielhafte Verhaltensweisen:

-eine behauptete enge Koalition mit den BürgerInnen, in der sich Herr Seehofer wähnt, die alles rechtfertigt

-ein krampfhaftes Festhalten an vielfach widerlegter Meinung, allein um „der Sache der CSU willen“, allein um zu zeigen, dass man es kann (siehe Betreuungsgeld)

-eine Partei, die ihrem Chef blind folgt, obwohl sie um falsche Entscheidungen weiß

-die Geringschätzung von Opposition und von Oppositionsrechten

Geringschätzung der Opposition

Fangen wir mit dem letzten Punkt an: Obwohl die 10-H Verabschiedung mitten in einen ausgerufenen „Energiedialog“ hineinfällt, weigert sich die CSU-Fraktion noch eine 3. Lesung anzuschließen und die Verabschiedung zumindest nach dem Dialog vorzunehmen.

Einer geplanten 2. Anhörung stimmt die CSU zu, weil sie es rechtlich muss, aber will diese erst nach der Verabschiedung des Gesetzes vornehmen, was einer Farce gleichkommt.Die Änderungsanträge am 10-H Gesetz werden am Tag der Verabschiedung gestellt, obwohl vorher monatelang Zeit war, nachzubessern.

Eine Partei folgt blind ihrem Chef

Obwohl zahlreiche Informationen darüber kolportiert sind, dass die wenigsten einflussreichen Personen in der CSU wirklich hinter der 10-H Regelung stehen, gibt es keinen echten Widerstand und dies über den Prozess von einem Jahr (Juli 2013-November 2014). Etliche Bürgermeister sind vergrätzt, aber äußern sich entweder nicht deutlich genug oder werden einfach übergangen. Erwin Huber genießt sichtlich, dass das 10-H Gesetz bei der Anhörung im Wirtschaftsausschuss durchfällt, aber er zieht keine Konsequenzen daraus. Für ihn besteht die „Rebellion“ schon darin, seinen Chef einmal kurz vorgeführt zu haben. Die anderen CSU-Landtagsabgeordneten äußern sich zu dem Thema nachweislich kaum, von einer leidenschaftlichen Verteidigung von 10-H sind sie weit entfernt. Was Alle eint ist, dass das Thema endlich wieder vom Tisch soll. Der Einfachheit halber eben durch eine Verabschiedung, auch wenn man selbst nicht dahinter steht. Das Ganze gipfelt dann in Erwin Hubers Plädoyer gestern im Landtag: Die Fraktion würde dem Gesetz nicht zustimmen, weil sie es müsste, sondern weil sie absolut für richtig halte. Wie sehr kann man sein eigenes Gewissen verdrehen und dies sogar selbst noch genießen?

Die Koalition mit den BürgerInnen

Seehofers besonderer Politikstil der „Koalition mit den BürgerInnen“ ist mittlerweile Thema zahlreicher Reportagen und Untersuchungen. Ursula Münch von der Tutzinger Akademie hält diesen gerade im Bereich Energiewende für sehr gefährlich, wo die Bevölkerung in BefürworterInnen und GegnerInnen teilweise sehr deutlich gespalten ist. Die Belastungen sind aber notwendig ungleich verteilt: „Es ist ein Problem für die Politik, dass die Energiewende in Sichtweite der Bürger, also vor deren Fenster stattfindet. Man kann lange suchen, bis man einen Bürger findet, der sagt: Das Windrad habe ich gerne in meinem Vorgarten.“ Als Lösung schlägt Frau Münch finanzielle Beteiligungsmodelle für BürgerInnen vor,  also genau die Bürgerenergiewende, die wir auch befürworten und die zahlreiche Genossenschaften, Kommunen und andere Akteure im Freistaat vorantreiben. Frau Münch kommt zu dem Fazit dass eine erzwungene Koalition mit den BürgerInnen im Bereich Energiewende ein kurzfristiges Interesse hat, konkret z.B. den Wahlerfolg, langfristig jedoch die Energiewende gefährdet. Politik heißt eben auch Entscheidungen für das Gemeinwohl in Einzelfällen auch gegen ein Einzelinteresse durchzusetzen.

Seehofer betreibt in dem Sinne für mich keine Politik. Er gibt keine Richtlinien vor, jedenfalls keine, die er nicht nach kurzem wieder aufgeben würde. Bei solchen Jahrhundertaufgaben, wie wir sie einige vor uns haben: Neben Energiewende sicher auch die soziale Sicherung, das Renten- und Gesundheitssystem und vieles mehr, muss man ein Konzept und einen Kompass haben und die BürgerInnen dafür gewinnen, dass es sich um langfristige aber wichtige und für die Gesellschaft notwendige Vorhaben handelt. Kurzfristige Zugeständnisse, die man sich eigentlich aber nicht leisten kann stimmen einige Wenige für den Moment zufrieden (siehe auch das Rentenpaket der Koalition), schadet auf lange Sicht aber wiederum Allen, die dann vor den Scherben einer Energieversorgung oder eben der nicht existenten sozialen Sicherung stehen.

Bei der Windkraft kommt der Treppenwitz dazu, dass es sich keinesfalls ja nur um eine Einschränkung und „ein Opfer für die Energiewende“ handelt, sondern etliche Bürgerinnen und Bürger die Technologie bejahen und sie zur lokalen Wertschöpfung bei sich im Ort nutzen wollten.

Dieser praktizierte Regierungsstil ist gefährlich, weil keinerlei Kontrolle unterworfen und wie die Diskussion um 10-H zeigt, auch keinerlei Ratschlägen von außerhalb zugänglich.

Wir machen es weil, wir es durchsetzen können

Dieser Trotz zeigt sich dann insbesondere an dem Credo „Wir halten unsere Wahlversprechen“. Damit brüstet sich die CSU. Auf den ersten Blick sieht das Hr. Seehofer gar nicht ähnlich. Wenn wir uns aber die Themen genau ansehen, wird deutlich dass es sich um keinerlei inhaltliche Richtungsentscheidungen handelt, sondern lediglich um Themen die wie die Maut, großen Zuspruch erfahren haben. Oder wie die 10-H Regelung und das Betreuungsgeld irgendwann einmal von Herrn Seehofer in die Welt gesetzt wurden und jetzt in der Koalition (Länderöffnungsklausel) die Macht der CSU beweisen können: Die CSU hält ihre Wahlversprechen und spielt eine Rolle im Koalitionsvertrag und in der Koalition!! Ob die Politik dann sinnhaft ist oder irgendeinem Ziel gerecht wird, spielt keine Rolle mehr. Man hat fast das Gefühl, je größer der Sturm der öffentlichen Entrüstung, desto mehr zeigt sich vermeintlich die Größe der CSU und desto starrsinniger wird daran festgehalten.

Gute Entscheidungsgeber?

Und wie kommen diese Entscheidungen zustande? Das ist das eigentlich Gruselige. Wie kam etwa die 10-H Regelung in die Welt? Weil ein gewisser Staatssekretär Eck leider eine konkrete Windkraftplanung in seiner Kommune doch gerne auf 2 km Entfernung von seinem Grundstück realisiert haben wollte. Sehr dafür getrommelt hat auch ein Herr Reinhold Scheuring, Werksleiter im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Hinzu kamen „BürgerInnen“ Anti-Windkraft-Initiativen, tatkräftig unterstützt durch die Beiden. Und so griff Hr. Seehofer gleich einmal diesen unterfränkischen Vorschlag unverändert auf. Da wurde nicht etwa noch modifiziert, angepasst, nein er machte sich ungefiltert zum Sprachrohr einer gesellschaftlichen Minderheit.

Stark engagiert, auch in Bayern, ist die Initiative „Vernunft Kraft“, wo viele engagierte KämpferInnen aus Bürgerinitiativen ihren Platz und ihren Ort gefunden haben, um ihren Kirchturm zu verteidigen. Anführer der Initiative ist der bekannte „Umweltschützer“ Ennoch zu Guttenberg, der als Märtyrer sogar aus dem Bund Naturschutz ausgetreten ist. Er sei nicht grundsätzlich gegen Windkraft, nein, das natürlich nicht, aber natürlich wenn Kulturlandschaften „unwiderbringlich zerstört werden“. Weder ist ein Windrad unwiderbringlich aufgebaut, noch zerstört es komplette Landschaften wie etwa der Kohlebergbau. Was sich ändert und für den Einen oder die Andere beeinträchtigt wird, ist lediglich die Sichtachse. Aber genug von inhaltlicher Diskussion, die Aufzählung dieser ExpertInnen, von denen Hr. Seehofer sich leiten ließ, sollten die Dramatik deutlich machen.

Wessen Ratschlägen Hr. Seehofer hingegen nicht gefolgt ist: Bürgergenossenschaften, Agenda 21- Initiativen, dem Bund Naturschutz, Anti-Atom Initiativen, der IG Metall, aber auch der IHK, dem Bauernverband, dem Bauindustrieverband, den kommunalen Spitzenverbänden, dem VKU, Unternehmen innerhalb- und außerhalb der Energiewirtschaft, der konventionellen, der erneuerbaren Energie. In der geschlossenen Front der Oppositionsparteien war es wahrscheinlich wenig sinnvoll, dass die SPD auf Bundesebene der Länderöffnungsklausel zugestimmt hat. Dies war der Koalitionsarithmetik der Großen Koalition geleistet, die übrigens auch katastrophale Politik macht, aber dies an anderer Stelle.

Bayern hat eine bessere Regierung und einen besseren Regierungschef verdient.

Artikel ZEIT „Horst Seehofers Koalition mit dem Volk“ (März 2014)

Artikel Welt Seehofer tut der Politik damit keinen Gefallen (Dezember 2013)