Antrag zur UN-Klimakonferenz in Katowice 2018

Antrag der Abgeordneten Lisa Badum, Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia Kotting-Uhl, Steffi Lemke, Ingrid Nestle, Dr. Julia Verlinden, Jürgen Trittin, Harald Ebner, Matthias Gastel, Stefan Gelbhaar, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, Markus Tressel, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

sowie der Abgeordneten Lorenz Gösta Beutin, Ralph Lenkert, Dr. Gesine Lötzsch, Heidrun Bluhm, Jörg Cezanne, Kerstin Kassner, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Amira Mohamed Ali, Victor Perli, Ingrid Remmers, Dr. Kirsten Tackmann, Andreas Wagner, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE.

UN-Klimakonferenz in Katowice 2018 – Pariser Klimaabkommen international unterstützen und in Deutschland umsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest

Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Katowice (COP24) müssen richtungsweisende Entscheidungen zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens getroffen werden. Zentral sind dabei die Verabschiedung eines soliden und transparenten Regelbuchs zur Umsetzung der in Paris beschlossenen Klimaziele, die Erhöhung der nationalen Minderungszusagen im Rahmen des Talanoa-Dialogs und die verbindliche Zusage von Klimafinanzierung für die ärmsten und von der Klimakrise am stärksten betroffenen Staaten.

 

Auch Deutschland muss durch ambitionierte Klimapolitik seinen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Abkommens leisten. Der Klimaschutz in Deutschland tritt unter der Großen Koalition jedoch seit Jahren auf der Stelle. Das nationale Klimaschutzziel 2020 wird weit verfehlt werden. Die gesetzliche Festschreibung von Klimazielen und ihre Evaluierung sowie von zentralen Klimaschutzmaßnahmen, etwa in einem Klimaschutzgesetz und einem Kohleausstiegsgesetz, wird weiter verschleppt. Klimapolitisch notwendige Richtungsentscheidungen werden ohne Not auf Kommissionen abgeschoben. Einst internationaler Vorreiter im Klimaschutz, rutscht Deutschland immer weiter nach hinten.

 

Derweil gehen hierzulande zehntausende Menschen auf die Straßen, weil ihnen nach Hitzerekorden, Dürresommer mit Millionenentschädigungen für die Agrarindustrie oder der Machtdemonstration des Energiekonzerns RWE im von Klimaaktivisten besetzten rheinischen Hambacher Wald auf dem Rücken der Polizei immer klarer wird: Beim Klimaschutz ist auf diese Regierung keinerlei Verlass.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Deutschland muss sich in den Verhandlungen in Katowice dafür einsetzen, dass

• ein Regelbuch („Paris rulebook“) verabschiedet wird, das unter Einbeziehung sozialer, gender- und menschenrechtlicher Richtlinien Klarheit bzgl. Vergleichbarkeit, Transparenz und Verantwortlichkeit schafft und eine Anleitung zur Evaluierung der Reduktionszusagen der Mitgliedstaaten beinhaltet;

 

• der Talanoa-Dialog zu signifikanten Ambitionserhöhungen der nationalen Minderungszusagen (Nationally Determined Contributions – NDCs) führt, um die Pariser Klimaziele zu erreichen; Deutschland soll hier als Mitglied der besonders ambitionierten Staaten (High Ambition Coalition) vorausgehen;

 

• die internationale Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 als zentrales und gemeinschaftliches Instrument ausgebaut und gestärkt wird für mehr Klimagerechtigkeit und Partnerschaften zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern;

 

• mit diesen Mitteln vor allem, unter Einbeziehung starker sozialer, gender- und menschenrechtlicher Leitplanken, vom Klimawandel besonders betroffene Regionen bei Anpassung und Umsetzung der nationalen Anpassungspläne (NAPs) finanziell und technisch unterstützt werden;

 

• der Klimaanpassungsfonds aufgefüllt wird sowie die Beiträge zum Green Climate Fund gesteigert werden;

 

• Entwicklungsbanken höhere Beiträge zur Anpassungsfinanzierung erbringen;

 

• insbesondere die Zusammenarbeit mit den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDC) beim Aufbau einer nachhaltigen und bezahlbaren erneuerbaren Energieversorgung für alle und bei der Planung von sozial verträglichen Kohleausstiegsstrategien gestärkt wird;

 

• die von der Klimakrise am härtesten getroffenen Staaten bei daraus resultierenden Schäden und Verlusten unterstützt werden;

 

• marktbasierte Instrumente des Klimaschutzes, wie unabhängig evaluiert werden und dahingehend überarbeitet werden, dass Fehlanreize, die z. B. zu Vertreibungen indigener sowie lokaler Bevölkerungen oder zum Abholzen von Wäldern zugunsten von Wald- und Agrar-Monokulturen führen, beseitigt werden;

 

• Klimarisikoversicherungen arme und verwundbare Bevölkerungsgruppen und Staaten einschließen ohne finanzielle Risiken einseitig auf sie abzuwälzen;

 

• das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten nach dem Verursacherprinzip ernst genommen wird, das sowohl für die Industrie als auch für die Schwellenländer gilt und für alle Bereiche der Nachhaltigkeit gelten muss; die Empfehlungen der Task Force on Displacement, um klimabedingte Migration und Vertreibung abzuwenden, zu minimieren und anzugehen, schnell umgesetzt werden und das Mandat der Task Force verlängert wird, um die Umsetzung der Empfehlungen weiter begleiten zu können. Deutschland muss außerdem seiner aktuellen wie historischen Verantwortung als Industrieland und größter Treibhausgas-Verursacher und Braunkohle-Emittent in Europa nachkommen und entsprechend seinen Verpflichtungen gemäß dem Pariser Klimaabkommen Positionen vertreten und Gesetzentwürfe vorlegen, die vorsehen,

 

1. den europäischen Klimaschutzbeitrag (NDC) von derzeit 40 Prozent auf mindestens 55 Prozent bis 2030 zu erhöhen und eine mit dem Pariser Klimaabkommen kompatible EU-Langfriststrategie bis 2050 zu erarbeiten;

 

2. eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung des Europäischen Auswärtigen Dienstes und der Kommission im Bereich Klimadiplomatie zu gewährleisten;

 

3. Klimapolitik in allen Bereichen der EU-Außenpolitik zu verankern, einschließlich der Handelspolitik und Entwicklungszusammenarbeit;

4. den auf der COP23 in Bonn verabschiedeten Gender Action Plan national umzusetzen, Gender-Aspekte in der nationalen Klimapolitik zu verankern und die Partizipation und Gleichstellung von Frauen im UNFCCC-Prozess zu fördern;

 

5. den Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern;

 

6. verbindliche und ambitionierte Klimaschutzziele und deren Evaluierung in einem Klimaschutzgesetz festzuschreiben, wobei die deutschen Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent, bis 2030 um mindestens 55 Prozent und bis 2050 um mindestens 95 Prozent zu senken sind;

 

7. ein Klimaschutz-Sofort-Maßnahmenprogramm für alle Sektoren auf den Weg zu bringen, welches sicherstellt, dass auch das deutsche Klimaschutzziel bis 2020 sicher erreicht wird;

 

8. den sozial abgesicherten Kohleausstieg unverzüglich einzuleiten und die 20 ältesten Braunkohlekraftwerksblöcke sofort abzuschalten sowie auf den Neuaufschluss von Tagebauen und neue Kohlekraftwerke zu verzichten;

 

9. die letzten Kohlekraftwerke bis 2030 abzuschalten;

 

10. einen wirksamen CO2-Mindestpreis für alle Sektoren einzuführen und sich parallel gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union dafür einzusetzen, diesen in immer mehr europäischen Ländern zu realisieren;

 

11. die Erhöhung des jährlichen Ausbaus erneuerbarer Energien auf 5.000 Megawatt Windkraft an Land sowie 5.000 Megawatt Photovoltaik ab dem Jahr 2020; für das Jahr 2019 ist eine entsprechende Sonderausschreibung vorzunehmen;

 

12. dem Verkehrsbereich endlich einen Beitrag zum Klimaschutz abzuverlangen, insbesondere dadurch, dass ab 2030 keine Autos mit fossilen Antrieben mehr neu zugelassen werden;

 

13. mit einem Programm zur fairen Wärme eine sozial eingebettete Effizienz- und Wärmewende im Gebäudebereich so voranzutreiben, dass Klimaneutraliät in diesem Sektor bis 2050 hergestellt wird und Klimaziele und Mieterschutz sozialökologisch in Einklang gebracht werden;

 

14. die ökologische Forst- und Landwirtschaft auszuweiten und endlich die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt umzusetzen, insbesondere Dauergrünland zu erhalten und Wald- und Moorschutz-Maßnahmen zu intensivieren (u. a. die Herausnahme von 10 Prozent der Waldflächen aus der forstwirtschaftlichen Nutzung) , damit wertvolle Kohlenstoffspeicher erhalten und ausgebaut werden;

 

15. tiergerechte Stallbauvorhaben und Haltungsbedingungen zu fördern und damit Schritt für Schritt die Massentierhaltung zu beenden;

 

16. klimaschädliche Subventionen wie etwa Energiesteuervergünstigungen für Dieselkraftstoff, die pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen und die Förderung für fossile Heizungen abzuschaffen;

 

17. die von der Bundeskanzlerin versprochene Verdopplung der Klimamittel auf 4 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 in den Bundeshaushalt einzustellen und diese Mittel langfristig ohne Verrechnung mit der Entwicklungszusammenarbeit darzustellen. Dabei muss die Anzahl der Vorhaben, die die Unterstützung von Frauen bei der Bewältigung des Klimawandels als Hauptziel haben, deutlich erhöht werden;

 

18. sich auf internationaler Ebene für die Auffüllung des Grünen Klimafonds einzusetzen, und den Technologietransfer für erneuerbare Energien in Länder des globalen Südens auf Augenhöhe stärker zu fördern.

 

Berlin, den 27. November 2018

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

 

 

Antrag als pdf