Klima: Europa treibt, Deutschland lahmt

Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau

Die Regierung in Berlin darf das europäische Klimagesetz nicht weiter blockieren, sondern sie muss es beherzt umsetzen. Der Gastbeitrag von den Grünen Lisa Badum und Michael Bloss.


Das Klimagesetz kommt. Die Europäische Union wird klimaneutral, was die gesamte Wirtschaft umwälzen wird. Anstatt aber den Kurs richtig einzuschlagen, duckt sich die Bundesregierung weg. Die Angst vor dem Kohleausstieg, dem Ausbau der Erneuerbaren und dem Verbrenner-Ausstieg für Autos wird zur Klimalast für Europa. Vier Punkte, die sich ändern müssen.

2038 soll nach Plänen der Bundesregierung Schluss sein mit der Kohleverstromung. Damit ist Deutschland zusammen mit Polen und Tschechien EU-Spitzenreiter bei den Emissionen im Energiebereich. Eine neue Studie zeigt: Auch 2030 werden wir das noch sein. Polen, Tschechien, Bulgarien und Deutschland auf Platz vier werden die traurige Kohle-Liga anführen.

Mit dem Europäischen Klimagesetz wird kommendes Jahr der Europäische Emissionshandel (ETS) reformiert. Die Zertifikate für CO2 werden reduziert, was zu höheren Preisen führt und damit die Kohleverstromung massiv verteuert. Gut so, Klimaverpestung muss einen echten Preis bekommen und die erneuerbaren Alternativen sind längst da.

Weltweit ist die Stromproduktion aus Sonne und Wind günstiger. Mit der Reform des ETS wird dieser Prozess beschleunigt. Das ist gut fürs Klima, gut für unsere heimische Industrie und Arbeitsplätze. Allein im Bereich der Erneuerbaren arbeiten hierzulande über 300.000 Menschen. Hier liegt unser größtes Potenzial.

Wollen wir unsere Ziele für die Energiewende und das Klima einhalten, müssen wir aufs Tempo drücken. Doch in den ersten neun Monaten des Jahres brach der Ausbau der Erneuerbaren ein. So erreichen wir unsere Ziele nicht und auch keine klimaneutrale Wirtschaft.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat es in der Hand. Bislang aber gleichen seine Maßnahmen einer Operation am offenen Herzen der Energiewende – der EEG-Novelle – mit gravierenden Fehlern. Das Europäische Klimagesetz zwingt den Minister zum Nachsitzen. Sein Ökostrom-Ziel von 65 Prozent bis 2030 reicht nicht, um die Klimaziele einzuhalten. 75 Prozent müssten es mindestens sein. Wärmepumpen, E-Autos und grüner Wasserstoff für die Industrie sind darauf angewiesen. Europa treibt, Deutschland lahmt.

Es fehlt ein fixes Datum für den Ausstieg aus Verbrennungsmotoren bei Autos. China plant es für 2035, Dänemark, Großbritannien, Frankreich, Irland, Niederlande, Slowenien, Spanien, Schweden und weitere haben es schon. Während diese Länder vorpreschen und sich die Firmen darauf einstellen, fordert Andreas Scheuer (CSU) noch im September eine Verbrennerprämie.

Das ist fatal für Klima und Wirtschaft. Für das Klima, weil die Emissionen im Verkehrssektor seit 1990 nicht gesunken sind und sogar wieder steigen. Fatal für die Wirtschaft, weil die deutsche Autoindustrie bis auf wenige Gestrige endlich klare Regeln verlangt und sich vor einer Schocktherapie fürchtet. Je länger wir warten, desto härter werden die Einschnitte.

Die EU ist weiter und treibt die Bundesregierung. Das Klimagesetz sieht laut EU-Parlamentsbeschluss eine Reduktion der Treibhausgase bis 2030 von minus 60 Prozent vor. Das führt zu strengen CO2-Abgasgrenzen für Autos, die jüngst mit der Euronorm sieben angedeutet wurden. Gut so, nur so bleiben wir Speerspitze im Automobilsektor für die Länder, die saubere Autos wollen.

Für diese drei Vorschläge brauchen wir das Ende der Blockade beim EU-Klimagesetz. Das EU-Parlament hat im Oktober ein Zeichen gesetzt. Die Verabschiedung des Klimagesetzes mit einem Reduktionspfad von minus 60 Prozent an Treibhausgasen bis 2030. Neben einem Klimarat, Treibhausgasbudget, Recht auf Klimaschutz und anderen Klima-Maßnahmen hat das EU-Parlament in Rekordzeit einen Werkzeugkoffer zusammengestellt, der die Klimaerhitzung bremsen kann. Dies muss die Bundesregierung nutzen.

Doch es wird so lange gewartet, bis die deutsche Ratspräsidentschaft Ende des Jahres ausläuft und die neuen Klimaziele bis 2030 bekannt gegeben werden müssen. Leider wird das Parlament damit umgangen und somit die Stimmen der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Dabei haben sich sogar die Umweltministerinnen und -minister der Bundesländer für minus 60 Prozent Treibhausgase bis 2030 ausgesprochen.

Lisa Badum ist Grünen-Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Klimapolitik der Fraktion.
Michael Bloss ist Verhandlungsführer beim Europäischen Klimagesetz für die Grünen im Europaparlament.