Warum eine Klimakonferenz in Dubai?

Außenministerin Annalena Baerbock mit Lisa Badum auf der COP28

Jedes Jahr kommt zu Recht die gleiche Frage auf: Ist die Klimakonferenz wirklich geeignet, zu einer Lösung beizutragen? Ergibt es Sinn, dort hinzufahren? Ich war dieses Jahr wieder als Vorsitzende des Unterausschusses Internationale Energie- und Klimapolitik und Leiterin der deutschen Bundestagsdelegation vor Ort. Angesichts von zehntausenden Teilnehmenden an fragwürdigen Ausrichterorten finde ich die kritischen Fragen berechtigt – dieses Jahr haben wir einen neuen Höchststand von rund 100,000 erzielt, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, einem der größten Exportstaaten für Gas und Öl.

Es stimmt: die Aktivitäten rund um die eigentlichen Klimaverhandlungen sind sehr groß angewachsen. Daran arbeiten die Staaten selbst, die teilweise mit riesengroßen Delegationen anreisen, etwa Brasilien dieses Jahr mit 2400 Personen. Deutschland tritt hier vergleichsweise klein auf mit 250 Personen. Die Attraktivität eines Veranstaltungsortes ist jedoch entscheidend für die Zahl der Teilnehmenden. So ist nicht damit zu rechnen, dass im nächsten Jahr in Aserbaidschan der Andrang ähnlich groß wird. Dennoch muss die Konferenz reformiert werden – allerdings ist das alles andere als einfach, da über 190 Staaten mitreden.

Was bringt diese Konferenz also trotz aller Kritik? Ein konkretes Beispiel: die Golfstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate gelten laut UN-Regeln von 1992 weiter als „Entwicklungsstaaten“, und haben insofern bisher nichts zur Klimafinanzierung beigetragen, d.h. zur Unterstützung von Ländern im globalen Süden, wirklichen Entwicklungsländern. Da sie diese COP aber ausgerichtet haben, mussten sie ein Zeichen setzen und erstmals haben die Emirate, zusammen mit Deutschland, 100 Millionen US-Dollar in den Fonds für Klimaschäden und Verluste eingezahlt. Damit wurde eine Dynamik ausgelöst und weitere Länder haben sich angeschlossen, sodass wir nun bei fast 800 Millionen US-Dollar liegen. Fast 30 Jahre lang haben die verletzlichsten Länder für einen solchen Fonds gekämpft und nun kann er endlich starten. So funktioniert weltweite Kooperation im besten Fall: kein Mikado (wer sich zuerst bewegt, hat verloren), sondern gemeinsame Bewegung. Die Bundesregierung und die EU insgesamt spielen dabei eine sehr wichtige Rolle.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist: wir können nicht isoliert über Klimaschutz in Deutschland sprechen, ohne mit anderen Ländern zu reden. Gerade die Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen – wie auch die VAE – können wir unmöglich ignorieren, denn CO2 kennt keine Grenzen. Und wirklich wichtige enge und tragfähige Verbindungen, die diplomatisch etwas bewirken, entstehen nur im persönlichen Kontakt.

Mich hat Kritik von Bürger:innen erreicht, weil wir mehr Gas aus den USA importieren, seit der Energiekrise, das nicht gerade „sauber“ erzeugt ist. Deswegen bin ich froh, dass wir mit der US-Delegation sprechen konnten und dass ich mit dem amerikanischen Senator Ed Markey, einem der Ko-Autoren des Green New Deal, eine internationale Initiative gegen den Ausbau von LGN-Infrastruktur starten konnte. Unseren offenen Brief haben weitere Abgeordnete unterzeichnet, auch und vor allem aus Staaten, die Flüssiggas exportieren. Daraus ist auch die Idee entstanden, dass wir als progressive Abgeordnete nächstes Jahr in den USA unterstützen, da aktuell noch und wieder ein Präsident Donald Trump droht. Das ist transatlantische Kooperation in der Praxis.

Eine weitere Frage, die uns in Deutschland viel umtreibt: soziale Akzeptanz für Klimaschutz. Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz hat gezeigt, wieviel Unruhe und Fake News geschürt werden können, aber auch, dass wir die Unsicherheiten der Menschen ernster nehmen müssen. Ob es um die eigene Heizung geht oder die vielen Veränderungen in der Industrie. Und genau das treibt die Politik in anderen Ländern auch um, das haben wir im Gespräch mit anderen europäischen Abgeordneten gemerkt. In Norwegen ist bereits eine Lösung dafür gefunden worden, zeitgleich zur Anhebung der CO2-Steuer wurden andere Abgaben sozial gestaffelt gesenkt.

Bei dem Blick auf uns Industrieländer dürfen wir aber auch nicht vergessen: Menschen weltweit leben bereits im Strukturwandel und können sich nicht mehr entscheiden, wie dieser abläuft. Etwa die Einwohner der Fidschi-Inseln, die Stück für Stück jetzt schon ihre Heimat und ihr Erbe verlieren. Wie einer ihrer Vertreter, der Pfarrer James Bhagwan, zu uns sagte: „Sind unsere Leben weniger wert als eure?“ Diese erschütternde Frage können wir nur dann glaubwürdig verneinen, wenn wir die notwendigen Konsequenzen ziehen. Im nationalen Klimaschutz, bei der internationalen Finanzierung und in unserem unermüdlichen Einsatz für eine funktionierende Klimadiplomatie.

Das Verhandlungsergebnis dieser Konferenz ist historisch. Der Abschlusstext erfüllt nicht alle unsere Hoffnungen, er hat immer noch große Schwachstellen und vor allem werden Worte allein niemals die Klimakrise lösen können. Dennoch haben die Regierungen einen Durchbruch erzielt. Zum ersten Mal überhaupt bekennt sich ein COP-Text zu einer Abkehr („transition away“) von den fossilen Brennstoffen. Und zum ersten Mal gibt es globale Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren (Verdreifachung) und zur Steigerung der Energieeffizienz (Verdopplung), beides bis 2030.

Das ist natürlich nur der Anfang. Bei zukünftigen COPs werden wir diese Sprache verschärfen müssen. Zudem braucht es mehr Geld von den historisch verantwortlichen Industriestaaten – aber auch von großen Emittenten wie China – um die globale Energiewende zu finanzieren. Alle Regierungen und Parlamente müssen sich jetzt an die Umsetzung machen. Dazu gehört der schnelle Ausbau der Erneuerbaren, die Bekämpfung von Energieverschwendung und der sozial gerechte Abbau fossiler Subventionen. Dass CCS und Atomkraft hierbei nur ablenkende Scheinlösungen sind, zeigt sich schon daran, dass sich beides nicht rechnet.

Der Verhandlungserfolg wurde selbstverständlich nur möglich durch den großen öffentlichen Druck auf die Präsidentschaft während der gesamten Konferenz. Trotzdem war es vielleicht keine schlechte Idee, die COP28 in Dubai abzuhalten. Schon vor dem Gipfel war deutlich zu spüren, dass die VAE diese Klimakonferenz nutzen will, um sich gut darzustellen. Während das Land nicht gerne von der eignen Ölförderung ablassen will, gab es doch das Bewusstsein, dass man bei zu großem Beharren irgendwann unglaubwürdig wirkt. So konnte man letzten Endes nicht anders, als nachzugeben und Kompromisse einzugehen. Und nur so können wir die Pariser Klimaziele erreichen: wenn wir auch die fossilen Profiteure endlich auf den klimaneutralen Pfad bringen.