Scholz sucht die Klimaschutz-Milliarden

Rheinische Post

 

 Der Finanzminister legt dem Bundestag seinen 360-Milliarden-Euro-Haushalt vor – doch die Ausgaben für das Klimaschutz-Paket der Regierung sind darin noch gar nicht enthalten. Der Koalition bleiben nur noch wenige Tage.

Der Klimaschutz kommt erst spät vor in dieser wichtigen Rede des Bundesfinanzministers und möglichen künftigen SPD-Vorsitzenden zum Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag. Dabei ist der Klimaschutz Zankapfel Nummer eins in der wackeligen großen Koalition. Die Maßnahmen, die die Fraktionen von Union und SPD für das große Klimaschutzpaket der Bundesregierung vorschlagen, sollen dem Vernehmen nach mindestens 30 Milliarden Euro kosten. Doch diese Ausgaben sind weder im 360-Milliarden-Euro-Etat von Olaf Scholz für das kommende Jahr noch in seiner Finanzplanung bis 2023 enthalten. Wie die Regierung das Geld aufbringen will, ist höchst umstritten – manche Koalitionäre wollen dafür die schwarze Null opfern und neue Schulden aufnehmen, andere eine CO2-Steuer einführen, Klimaschutz-Anleihen an Bürger ausgeben oder neue Schattenhaushalte bilden.

Das Finanzierungsproblem will die Koalition unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel ebenso wie die konkreten Klimaschutzschritte schon in den kommenden Tagen lösen. Am Freitagabend soll es dazu ein Treffen der Koalitionsspitzen geben. Eine Woche später, am 20. September, soll das Paket stehen – um dann in Windeseile in Gesetzesform gegossen und bis Jahresende beschlossen zu werden. Die Opposition zweifelt daran, dass die Koalition den Termin halten kann. „Dass die Bundesregierung am 20. September ein wirksames Maßnahmenpaket für den Klimaschutz vorlegt, wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher“, sagt die klimapolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Badum. „Bisher ist die Klimapolitik der Regierung Stückwerk“, sagt auch FDP-Chef Christian Lindner. Jeden Tag kämen neue Vorschläge für Steuern oder Verbote auf den Tisch. „Wir brauchen dagegen einen nationalen Klimakonsens. Die FDP schlägt ein CO2-Limit vor, das aber ohne planwirtschaftliche Denkblockaden durch Erfindergeist und Technologieoffenheit erreicht werden soll“, sagt Lindner ohne konkreter zu werden.

Auch Finanzminister Scholz ist überzeugt davon, dass zum Erreichen der Klimaziele kleine Maßnahmen und die immer gleichen Förderprogramme nicht ausreichen werden. Nötig sei ein echter Neustart, dafür seien auch privatwirtschaftliche Investitionen nötig. Scholz lässt im Bundestag aber wieder nicht durchblicken, wie etwa ein Kompromiss zwischen SPD und Union zur Bepreisung von CO2 aussehen könnte. Die SPD ist für eine CO2-Steuer, die Union hält die Ausweitung des Emissionshandels mit CO2-Verschmutzungszertifikaten für besser. Eine Steuer würde etwa Benzin und Diesel direkt verteuern, der Emissionshandel dagegen allenfalls indirekt. Die Verteuerung des CO2-Ausstoßes soll dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen insgesamt weniger Treibhausgas emittieren. Die Einnahmen sollen an die Bevölkerung zurückgegeben werden – etwa durch Überweisungen des Finanzamts.

Weitere Klimaschutzmaßnahmen wie etwa Programme zur Aufforstung oder zur klimafreundlichen Umrüstung des Nahverkehrs sollen aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) des Bundes finanziert werden, in dem derzeit etwa sieben Milliarden Euro liegen. 2020 wird das Geld noch ausreichen, doch für die Jahre danach braucht der Bund zusätzliche Finanzierungsquellen. Deshalb hat die Debatte über die Aufgabe der schwarzen Null im Haushalt längst Fahrt aufgenommen. Doch noch halten Olaf Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dagegen – ebenso wie die Haushaltspolitiker der Koalition.

„Klimaschutz kann kein Vorwand sein, wieder in Schulden zu gehen. Wir können nicht den Klimaschutz und solide Staatsfinanzen gegeneinander ausspielen“, sagt etwa Eckhardt Rehberg, Chefhaushälter der Unionsfraktion. Und auch sein Amtskollege Johannes Kahrs von der SPD ist überzeugt: „Denen, die am lautesten danach rufen, neue Schulden zu machen, geht es in Wahrheit nicht um Klimaschutz, sondern um ideologische Rechthaberei oder um die Erhöhung der Verteidigungsausgaben oder um ganz andere Zwecke.“ Engpässe gebe es momentan nicht beim Geld, sondern bei Planungsämtern und Baufirmen.

Rehberg und Kahrs sehen auch den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kritisch, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen, die Anleihen zu einem festen Zinssatz von zwei Prozent mit einer Laufzeit von zehn Jahren ausgeben soll. Mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Anleihen soll die Stiftung zinslose Darlehen finanzieren für Investitionen von Haushalten und Unternehmen in Klimaschutz-Projekte finanzieren. „Ich bin der Auffassung, dass wir über den bestehenden Energie- und Klimafonds den Klimaschutz bewältigen können, und zwar ohne neue Schulden und ohne die Ersparnisse der Bürger. Wir sollten als Staat nicht in Konkurrenz zu den Banken treten und das Spar- und Kreditgeschäft zu marktfernen Konditionen an uns reißen“, sagt Rehberg zum Konzept seines Parteifreundes Altmaier. „Wir sollten nicht Geld sinnlos verschenken. Deswegen wundert mich, dass Bundeswirtschaftsminister Altmaier genau das vorschlägt mit seiner ,Bürger-Stiftung Klimaschutz‘“, sagt auch Kahrs.

Die NRW-Landesregierung beschloss am Dienstag Nachmittag bei einer auswärtigen Sitzung in Berlin, am Tag der Klimaentscheidung der Bundesregierung ein eigenes Klima-Gesetz in den Bundesrat einzubringen. „Wir wollen eine marktbasierte Lösung zur Bepreisung von klimaschädlichen CO2-Emissionen in den Sektoren Gebäude und Verkehr“, erklärte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach der Kabinettsentscheidung. Das NRW-Modell, für das Laschet weitere Bundesländer gewinnen will, setzt darauf, durch Zertifikate die Menge an CO2 Schritt für Schritt zu reduzieren. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) wies darauf hin, dass NRW die für 2020 gesetzten Klimaziele bereits erreicht habe. Nun gehe es darum, auch die Bereiche verstärkt in den Klimaschutz einzubeziehen, die bislang noch nicht genug dazu beigetragen hätten. Wohnungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) kündigte eine Abwrackprämie für über 31 Jahre alte Ölheizungen an. Damit könnten in NRW rund 80.000 Feuerstätten weniger klimaschädlichen gemacht werden.