Bolsonaro die Stirn bieten

Gemeinsame Erklärung von Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion und Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, anlässlich des zweiten Wahlgangs zum Amt des/der Brasilianischen PräsidentIn, am 28.10.2018.

 

„Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist die falsche.“ Umberto Eco

 

Nur die Demokratie kann die Komplexität tiefgreifender sozialer, politischer und wirtschaftlicher Herausforderungen einfangen und durch Inklusion und Verantwortlichkeit zwischen Staat und Gesellschaft vermitteln. Mit der Achtung von Recht und Gesetz, mit unabhängigen Gerichten und einer Verfassungsgerichtsbarkeit müssen sich Individuen und Minderheiten nicht bedingungslos einer Mehrheit beugen.

 

Mit großer Besorgnis blicken wir auf den zweiten Wahlgang der brasilianischen Präsidentschaftswahl am 28. Oktober aus der der Kandidat der extremen Rechten, Jair Bolsonaro, hervorgehen könnte.

Nach dem Ende der 21-jährigen Diktatur hatte sich Brasilien zu einem demokratischen Land entwickelt, mit dem es möglich war, auf Grundlage gemeinsamer humanistischer Werte in Dialog zu treten. Die vergangenen Jahre waren geprägt von verschiedenen Krisen, krasser wirtschaftlicher Ungleichheit, einer Epidemie der Gewalt und einem Korruptionsskandal, in den fast alle Fraktionen der Führungsschicht verwickelt waren. Die daraus entstandene Unzufriedenheit der Menschen hat Bolsonaro genutzt und das Land mit undenkbarem rechtsextremen Populismus zu spalten.

In diesem aufgewühlten und angespannten Klima möchten wir an unsere eigene Geschichte in Deutschland und Europa erinnern, und welche schrecklichen Folgen das Ende unserer Demokratien für die ganze Welt hatte.

 

Unsere Sorge ist groß, dass durch den Wahlsieg eines Mannes, der unverhohlen rassistische, frauenfeindliche und homophobe Positionen vertritt, der offen die frühere Militärdiktatur und Folter befürwortet, und der die Bewaffnung der Bevölkerung propagiert, Brasilien den Weg der Demokratie verlässt.

 

Der Wahlsieg eines Kandidaten, der im größten Land Südamerikas mit dem Faschismus liebäugelt, wird nicht nur für Brasilien ernste Konsequenzen haben, sondern für den gesamten Planeten. Der größte Teil Amazoniens, das den größten tropischen Regenwald der Welt beherbergt, befindet sich auf dem Territorium Brasiliens. Sein Weiterbestehen ist von grundlegender Bedeutung im Kampf gegen die Erderwärmung, der größten Herausforderung unserer Epoche, denn der Amazonas speichert mit 150-200 Mrd. t CO2 rund ein Viertel der weltweit an Land gebundenen CO2-Mengen.

 

Wir sind sehr alarmiert über Bolsonaros Pläne für die Amazonasregion und den Umweltschutz: Von besonders gravierender Bedeutung sind 1) die Absicht, Brasilien aus dem Klimaabkommen von Paris herauszulösen; 2) die Auflösung des Ministeriums für Umweltschutz bzw. dessen Fusion mit dem Ministerium für Landwirtschaftliche Entwicklung und die Übergabe dessen Leitung an einen Vertreter der überparteilichen Farmerfraktion im Parlament, die zu den Hauptunterstützern Bolsonaros im Wahlkampf zählen und verantwortlich sind für die einschneidendsten Rückschritte im Umweltbereich während der letzten Regierungen; 3) die Aufhebung der Demarkation der indigenen Territorien, was den Bestimmungen der brasilianischen Verfassung zuwiderläuft, sowie die Absicht, den indigenen Gebieten den Status als öffentliche Ländereien abzuerkennen, damit deren Verkauf zu legitimieren und so deren Ausbeutung durch Agrarindustrie- und Bergbauunternehmen zu ermöglichen; und 4) die Erklärung, dass die Mittel für die Überwachung und Bekämpfung der Entwaldung begrenzt oder sogar ganz gestrichen werden sollen.

 

Schon jetzt ist Brasilien für UmweltschützerInnen das lebensgefährlichste Land der Welt. Mit dem Wahlsieg eines Befürworters von Waffengewalt und der Öffnung der Waldgesetze für eine massive Abholzung könnte die Gewalt explosionsartig ansteigen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen der Vereinigten Nationen IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) die Notwendigkeit einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius als einzige Möglichkeit postuliert hat, den Tod von Millionen von Menschen und ganzer Speziesauszuschließen, müssen die Äußerungen von Bolsonaro in höchstem Maße alarmierend klingen.

 

Wir tragen Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Aus dieser Verantwortung heraus richten wir unseren Appell an die brasilianische Bevölkerung, sehr sorgfältig zu erwägen, welche Bedeutung ihr Votum nicht nur für Brasilien, sondern für die ganze Welt hat. Ebenso fordern wir mit unserem Appell die internationale Gemeinschaft auf, sich unserer Erklärung anzuschließen und die Stimme zu erheben, um Bolsonaro die Stirn zu bieten.

 

Hier geht’s zum PDF-Dokument:

https://www.lisa-badum.de/wp-content/uploads/2018/10/181026_Erklärung-Wahl-Brasilien_final.pdf