Antrag zum Vorschlag zur Festsetzung von Emissionsnormen

Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Lisa Badum, Ingrid Nestle, Oliver Krischer, Matthias Gastel, Stefan Gelbhaar, Daniela Wagner, Harald Ebner, Dr. Bettina Hoffmann, Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Steffi Lemke, Friedrich Ostendorff, Corinna Rüffer, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung von Emissionsnormen

für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge im Rahmen des Gesamtkonzepts der Union zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 (Neufassung) KOM(2017) 676 endg.; Ratsdok. 14217/17

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes

CO2-Vorgaben für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge am Pariser Klimaabkommen ausrichten – Deutschlands Klimaziele im Verkehrsbereich einhalten

Der Deutsche Bundestag wolle folgende Entschließung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes annehmen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland und die Europäische Union haben sich dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet. Der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur soll auf deutlich unter 2° C begrenzt werden. Trotzdem verharren die Treibhausgasemissionen in Deutschland seit Jahren auf einem hohen Niveau. Die Emissionen im Verkehr sind im Vergleich zum Jahr 1990 sogar noch gestiegen und liegen derzeit bei 170,6 Mio. Tonnen CO2 (vgl. www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/klimabilanz2017-emissionen-gehen-leicht-zurueck).

 

Dabei hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 im Verkehrssektor 40 bis 42 Prozent weniger Treibhausgase als im Jahr 1990 zu emittieren und dann nur noch 95 bis 98 Mio. Tonnen CO2 auszustoßen. Dieses Ziel ist jedoch nur mit erheblichen zusätzlichen Anstrengungen zu erreichen. Den größten Anteil an den verkehrsbedingten CO2-Emissionen tragen Pkw mit 61 Prozent. Daher ist die Festlegung ambitionierter CO2-Reduktionsvorgaben für die Neuwagenflotten eines der wichtigsten Klimaschutzinstrumente im Verkehrsbereich, das zugleich technologieoffen, marktnah und überaus effizient ist.

 

Die EU-Kommission hat im November 2017 einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, um die bisherige Regulierung der CO2-Emissionen von neuen Pkw und neuen leichten Nutzfahrzeugen fortzuführen. Der Vorschlag sieht im Wesentlichen vor, dass die durchschnittlichen CO2-Emissionen von im Jahr 2025 bzw. 2030 in der EU neu zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen 15 bzw. 30 Prozent unter den Werten des Jahres 2021 liegen müssen. Diese Minderungsziele sind unzureichend, denn unter der neuen Regulierung muss weniger CO2 pro Jahr eingespart werden als bisher. Somit drohen mit den vorgeschlagenen Reduktionszielen nicht nur die deutschen Klimaschutzziele, sondern auch der europäische Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaziele verfehlt zu werden. Der EU-Vorschlag führt einer Studie zufolge lediglich zu einer Reduktion um etwa 3,5 Mio. Tonnen CO2 in Deutschland gegenüber der Referenzentwicklung (vgl. www.agora-verkehrswende.de/fileadmin/Projekte/2017/Klimaschutzszenarien/Agora_Verkehrswende_Pkw-CO2-Regulierung_web.pdf).

 

Auch das verbleibende Emissionsbudget in der Europäischen Union insgesamt macht es erforderlich, die Reduktionsziele deutlich anzuheben. Einer Untersuchung zufolge müsste das Reduktionsziel für 2030 zweieinhalb Mal so hoch ausfallen wie der Vorschlag der Kommission (vgl. www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Vision_Scenario__EU-28-Report_ 2017.pdf). Eine Erhöhung der Reduktionsziele liegt auch im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Gesellschaft insgesamt. Verbraucherschutzverbände weisen darauf hin, dass sinkende Treibhausgasemissionen bei Neuwagen auch sinkende Kraftstoffverbräuche bedeuten.

 

Durch ambitioniertere Reduktionsziele können somit geringere laufende Kosten für Fahrzeughalterinnen und -halter erreicht werden, die die technologischen Mehrkosten sogar übertreffen. Geringere Emissionen führen zudem zu einem höheren gesellschaftlichen Nutzen in Form von vermiedenen externen Kosten, die durch die Emissionen ansonsten entstehen. Ambitionierte und verbindliche Zielwerte sind zudem als Innovationstreiber unerlässlich. Sie helfen dabei, dass die Automobilindustrie die Technologieführerschaft bei klimafreundlichen und sauberen Antrieben erlangt, und schaffen eine investitionsfreundliche Umgebung für entsprechende Innovationen. Insbesondere in Zeiten wachsender internationaler Konkurrenz und angesichts sich wandelnder Weltmärkte ist die Politik gefordert, diesen verlässlichen Rahmen zu schaffen, der es der deutschen Automobilindustrie auch in Zukunft ermöglicht, international wettbewerbsfähig zu bleiben, Arbeitsplätze zu erhalten und Innovationen marktfähig zu machen.

 

Ambitionierte Reduktionsziele weisen zudem den Weg hin zu einem festen Ausstiegsdatum für fossil betriebene Verbrennungsmotoren in Deutschland, um so dem Vorbild anderer europäischer Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Großbritannien zu folgen. Um diese drei Ziele zu erreichen, braucht es eine ambitionierte Fortschreitung der CO2-Regulierung. Neben einer Erhöhung der Reduktionsziele muss dabei gleichermaßen sichergestellt werden, dass sie verlässlich sind. Das bedeutet, dass eine Verwässerung der Reduktionsziele unterbunden werden muss: Erstens dürfen die konkreten Reduktionsziele für einen Hersteller nicht schwächer ausfallen, wenn er einen bestimmten Anteil emissionsarmer und emissionsfreier Fahrzeuge verkauft. Dieser bisherige Vorschlag würde zu einem Ablasshandel führen: Ein Hersteller kann dann mehr klimaschädliche Autos verkaufen, weil emissionsarme und emissionsfreie Autos stärker angerechnet werden als solche Spritschlucker.

Zweitens ist die Forderung der Automobilindustrie problematisch, dass die Nutzung synthetischer Kraftstoffe auf die Reduktionsziele angerechnet werden soll. Diese Forderung würde ebenfalls bedeuten, dass Hersteller mehr klimaschädliche Neuwagen herstellen dürfen. Da erneuerbarer Strom knapp und die Produktion synthetischer Kraftstoffe energieintensiv ist, sollten synthetische Kraftstoffe zudem vorrangig für den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr genutzt werden. In diesen Bereichen müssen ebenfalls CO2-Emissionen gesenkt werden, ohne dass effizientere batterieelektrische Antriebe wie im Pkw-Bereich bereits massentauglich wären. Dass eine ökologische Produktion von synthetischen Kraftstoffen auch für den Pkw-Bereich ausreichen wird, ist derzeit nicht absehbar.

 

Drittens ist es kontraproduktiv, dass die Hersteller unverhältnismäßig schwächere Reduktionsziele einhalten müssen, wenn sie schwerere Fahrzeuge bauen. Dies ermuntert Hersteller abermals, mehr schwere und verbrauchsstarke SUVs und Limousinen herzustellen, anstatt CO2-Emissionen durch den Bau leichterer Fahrzeuge zu senken. Deswegen muss dieser Gewichtsfaktor durch einen anderen Faktor ersetzt werden, der nicht länger gewichtsbezogen ist und stattdessen den Leichtbau fördert.

 

Viertens muss sichergestellt werden, dass die Emissionswerte auch der Realität entsprechen und Klimaschutzerfolge somit nicht nur unter Testbedingungen erreicht werden. Untersuchungen haben ergeben, dass die realen Verbrauchswerte im Jahr 2016 im Schnitt 42 Prozent über den offiziellen Messwerten im Labor lagen. Neue Messverfahren müssen sicherstellen, dass die gemessenen Werte die tatsächlichen Emissionen abbilden (vgl. www.theicct.org/publications/laboratory-road-2017-update).

 

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf

 

folgende wesentliche Belange i. S. d. § 8 Absatz 4 EUZBBG im Rat durchzusetzen:

 

1. die Erhöhung der EU-weiten Reduktionsziele auf 45 Prozent im Jahr 2025 sowie auf 75 Prozent im Jahr 2030;

 

2. die Beibehaltung je eines Reduktionsziels für die Jahre 2025 und 2030 mitsamt einer Stärkung geeigneter Monitoring-Instrumente zur Prüfung der Zielerreichung anstatt eines alleinigen Ziels für das Jahr 2030 ohne Zwischenziel im Jahr 2025;

 

3. die Streichung der stärkeren Anrechnung von emissionsarmen und emissionsfreien Fahrzeugen, da dies die Reduktionsziele für einen Hersteller insgesamt abschwächt;

 

4. die Sicherstellung, dass auch keine weiteren Regulierungselemente – vor allem die Anrechnung synthetischer Kraftstoffe und eine leichtere Zielerreichung durch ein höheres Gewicht der Neuwagenflotte – die Reduktionsziele absolut oder relativ abschwächen;

 

5. die Verbesserung der Messverfahren durch die Einführung eines standardisierten und vergleichbaren Testverfahrens für CO2-Emissionen im Realbetrieb.

 

 

Berlin, den 14. Mai 2018
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

 

 

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