Antrag: Handeln jetzt – Auf dem Weg zum klimaneutralen Deutschland

Antrag der Abgeordneten Lisa Badum, Dr. Julia Verlinden, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn (Tübingen), Stefan Schmidt, Daniela Wagner, Kai Gehring, Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Britta Haßelmann, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia KottingUhl, Steffi Lemke, Gerhard Zickenheiner, Harald Ebner, Matthias Gastel, Stefan Gelbhaar, Renate Künast, Dr. Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Handeln jetzt – Auf dem Weg zum klimaneutralen Deutschland
Der Bundestag wolle beschließen:


I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:


Deutschland hat sich international verpflichtet, seinen Beitrag zur Lösung der Klimakrise zu leisten und Klimaneutralität anzustreben. Ein klimaneutrales Deutschland kann folgendermaßen aussehen: Die Energie für Wohnen, Mobilität, Gewerbe und Industrie wird überwiegend aus Wind und Sonne gewonnen oder durch weitere emissionsfreie Energieerzeugung wie Geothermie, Wasserkraft und nachhaltige Biomasse, vorwiegend aus Reststoffen.

Alle Gebäude sind weitestgehend energetisch modernisiert oder nach dem Niedrigstenergiestandard errichtet worden und werden mittels Photovoltaik auch zur Energieerzeugung genutzt. Als Baustoffe kommen nur noch nachhaltige Rohstoffe wie recycelte Baustoffe, Carbonbeton, Hanf oder Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft zum Einsatz. Wohnungen und Häuser sind an den Anforderungen des Klimaschutzes und den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtet und schaffen mit viel Grün und Gemeinschaftsbereichen ein lebenswertes Umfeld. Der Verkehrsbereich ist weitgehend dekarbonisiert.

Wohnortnahe Versorgung und eine Stadt der kurzen Wege, schnelles Internet und die Rückkehr der Dorfläden ermöglichen einen Alltag ohne Auto. Die Schiene ist das Rückgrat einer klimafreundlichen und bezahlbaren Mobilität: alle Großstädte sind durch Hochgeschwindigkeitszüge verbunden, durch geschickte Taktung sind kurze Fahrten in weitere Orte und verlässliche Umstiege gewährleistet. Der elektrische ÖPNV in Städten und in der Fläche ist zuverlässig und bezahlbar. Gut ausgebaute Fahrradstraßen und Verleihsysteme sorgen dafür, dass Bahnhöfe und Busstationen schnell erreichbar sind. Die verbleibenden Autos, davon viele im CarsharingVerbund, sind emissionsfrei. Die Innenstädte sind weitgehend autofrei und deutlich lebenswerter. Radfahrerinnen und Fußgänger können sicher unterwegs sein.

Transporte werden über die Schiene und durch emissionsfreie Lkw, Transporter und Lastenräder erledigt. Flüge sind nur noch für transkontinentale Reisen nötig, da das europäische Schienennetz hervorragend ausgebaut ist. Die Flugzeuge werden mit synthetischen Kraftstoffen betrieben. Auch in Schiffen kommen alternative Kraftstoffe zur Anwendung, unterstützt durch Wind- und Solarenergie. Die Wegwerfgesellschaft ist einer Kreislaufwirtschaft gewichen, sodass Werkstoffe in geschlossen Kreisläufen geführt werden nur noch sehr wenige Abfälle anfallen. Durch Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit wird unser Ressourcenverbrauch verringert. Produkte und Materialen, die in Kontakt mit Mensch und Natur sind, können bedenkenlos verwendet werden, weil sie ungiftig und biologisch abbaubar sind. Europa hat gezeigt, dass der Schutz von Klima und Umwelt unsere Lebensqualität steigert und gesund hält, Innovationen fördert und unseren Wohlstand sichert. Damit haben wir auch andere Wirtschaftsräume dazu gebracht, denselben Weg einzuschlagen. Die industrielle Landwirtschaft ist in weiten Teilen dem Ökolandbau gewichen. Die Nahrungsmittelproduktion erfolgt nachhaltig, schützt Böden und Wasser. Die noch vorhandenen CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft und der Industrie werden durch inländische Kohlenstoffsenken wie Moore, Dauergrünland und Naturwälder kompensiert.

Importe werden auf die CO2-Bilanz angerechnet und entsprechende Kompensationsmaßnahmen im Entstehungsland durchgeführt. Doch die Realität im Jahr 2019 sieht anders aus. Deutschland ist nicht auf Kurs Richtung Klimaneutralität, sondern auf Abwegen. Das Klimaziel für das Jahr 2020 wird gerissen und für die Jahre 2021 bis 2030 werden aller Voraussicht nach europäische Strafzahlungen in Milliardenhöhe für das Verfehlen der Klimaziele in den Sektoren Verkehr und Gebäude fällig. Und die historische Chance, vor dem Klimagipfel in New York eine gesellschaftliche Mehrheit für Klimaschutz zu nutzen und die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen, wurde auch noch verspielt. Mit dem mutlosen Klimapaket der Regierung ist auch das Reißen der 2030-Klimaziele vorprogrammiert: In welcher gesetzlichen Form die CO2-Einsparziele für die Sektoren festgeschrieben werden sollen, ist nicht geklärt, ein klares Bekenntnis zum Klimaschutzgesetz fehlt. Der vorgesehene CO2-Preis für Verkehr und Wärme soll erst ab 2021 und mit einem Einstieg von 10 Euro pro Tonne CO2 greifen, während im Europäischen Emissionshandelssystem bereits jetzt Preise von 26 Euro pro Tonne CO2 vorherrschen. Das Herzstück des Klimaschutzes, die Energiewende, wird weiter abgewürgt.

Beim Kohleausstieg bleibt die Bundesregierung weiter die Umsetzung schuldig, von der dringend notwendigen Beschleunigung des Kohleausstiegs ist nicht mal die Rede. Im Verkehrssektor garantiert die Koalition dem Verbrennungsmotor weiterhin Bestandsschutz und treibt den Straßenausbau ungebremst voran. In der Agrarpolitik wird weiter Geld in die industrielle Tierhaltung gepumpt, die viel zu hohen Tierzahlen bleiben unangetastet, der Ökolandbau wird nicht stärker gefördert. Im Gebäudebereich verlässt sich die Bundesregierung voll und ganz auf Fördermaßnahmen ohne verbindlichen gesetzlichen Rahmen. Finanziellen Klimaanreizen für Verbraucherinnen und Verbraucher steht keine Streichung von ökologisch schädlichen Subventionen gegenüber. Ordnungsrecht und klare Vorgaben für Politik und Industrie fehlen völlig. Beim Klimaschutz sind alle mitzunehmen. Die notwendige Transformation der Wirtschaft kann nur gelingen, wenn sie ökologisch und sozial ist. Deshalb ist die ökologische Frage auch immer eine soziale Frage und es muss sichergestellt werden, dass Menschen nicht durch die ökologische Modernisierung abgehängt werden.

Die folgenden Maßnahmen wären erforderlich, damit Deutschland in allen Sektoren zum Klimaschutzvorreiter werden kann.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

sektorübergreifende Maßnahmen umzusetzen:

• Klimaschutzgesetz einführen […]

Vollständigen Antrag hier lesen