Seit 2019 ist das Klimaschutzgesetz in Kraft. Damit wurden Klimaziele erstmalig verbindlich für die Bundesregierung. Der Expertenrat für Klimafragen wurde eingesetzt, der das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung prüft. Es ist unstrittig, dass das Klimaschutzgesetz die Debatte innerhalb der Bundesregierung und des Kabinetts aufgrund der Vorgaben auf eine professionellere und ernsthaftere Grundlage stellte. Die Ministerien mussten sich um Maßnahmen Gedanken machen, die wirkliches CO2-Einsparpotenzial haben und in der Praxis wirken.
Die Bundesregierung hat seit 2021 wichtige Erfolge für Klimaschutz erzielt. Erstmals in seiner Geschichte ist Deutschland auf dem Weg, seine nationalen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Die Lücke von ca. 1100 Mio. Tonnen CO2 vom Amtsantritt der aktuellen Bundesregierung ist nahezu geschlossen. Die Wärmewende im Heizungskeller kann endlich stattfinden, der Schienenausbau wird vorangebracht und über die LKW-Maut klimagerecht querfinanziert, der Erneuerbaren-Ausbau wird beschleunigt.
Dennoch wuchs in den letzten Jahren auch die Kritik am Klimaschutzgesetz, insbesondere an den jährlichen Einsparzielen. Einige Akteure führten an, dass es fast nicht möglich sei, in schwerfälligen Sektoren wie Gebäude und Verkehr in einem Jahr schlagartig die erforderliche Einsparung hinzubekommen. Aufgrund der kompletten Klimaschutzblockade der Verkehrsminister in den letzten drei Legislaturperioden, Ramsauer, Dobrindt, Scheuer wurde bspw. die Klimaschutzlücke im Verkehr immer größer und immer schwerer einzuhalten. Ich nehme die Bedenken bezüglich der jährlichen Einsparziele ernst und wenden uns daher auch nicht grundsätzlich gegen mehr Flexibilität im Klimaschutz. Die Novelle des Klimaschutzgesetzes schießt über dieses Ziel aber leider deutlich hinaus.
Positiv ist, dass mit der Novelle eine Regelungslücke behoben wird. Bisher lief die Prüfung der Klimaziele nur bis 2030, nun wird auch 2040 in den Blick genommen. Die Nachsteuerung auch für das 2040-Ziel wird im jetzigen Klimaschutzgesetz-Update verbindlich festgeschrieben. Künftig wird zudem bei der Einhaltung der Klimaziele auch nach vorn geschaut, statt nur die Zahlen des vergangenen Jahres zu überprüfen. Dadurch fallen Zielverfehlungen früher auf. Diese Änderungen sind ein Erfolg. Und schon 2026 muss die Bundesregierung ein Klimaschutzprogramm vorlegen, das Maßnahmen beschreibt, um auch die Klimaziele für 2040 zu erreichen.
Dennoch bleibt ein weiterer problematischer Aspekt bestehen: Im Wesentlichen wird die Nachsteuerung in die Zukunft verschoben. Das nächste Klimaschutzprogramm wird erst 2026 fällig, die nächste Nachsteuerung der Klimaschutzmaßnahmen nach allen vorliegenden Erkenntnissen frühestens 2026 und das nur unter der Voraussetzung, dass die Projektion sowohl 2025 als auch 2026 verfehlt wird. Das wird nicht dazu führen, dass es einfacher wird, auf den Zielpfad im Verkehrsbereich zurückzufinden, denn die Bugwelle der aufgestauten CO2-Emissionen wird sich noch größer auftürmen. Damit einhergehend wird es äußerst schwer sein, die europäischen Klimaschutzziele zu erreichen. Bei der Anhörung zum Klimaschutzgesetz am 8. November 2023 wurde von den Sachverständigen die grundsätzlich bestehende mangelhafte Überführung der Ziele in das Klimaschutzgesetz besonders angemahnt. Diese werden mit der Novelle nicht beseitigt, sondern im Gegenteil wird durch das Entfallen der Sofortprogramme die Situation verschärft. Daher bestehen an der Rechtssicherheit des neuen Klimaschutzgesetzes zumindest Zweifel. Ein rechtssicheres KSG ist aber aus meiner Sicht Voraussetzung für die Zustimmung zur Novelle.
Klar ist: Politisch ist der Einsatz für Veränderung, wie die Öffentlichkeit am Beispiel des Gebäudeenergiegesetzes gesehen hat, immer noch äußerst riskant und verhetzbar. Die fossile Lobby kämpft weiterhin für den Status Quo. Viele Parteien sprechen sich daher zwar allgemein, aber nicht konkret im Alltag für Klimaschutz aus. Klar ist aber auch, dass eine Begrenzung der Klimaerhitzung ohne Veränderungen nicht möglich ist. Eisern am Status quo festzuhalten, hat nur mehr Überschwemmungen, Dürren, Ernteausfälle – und damit auch Kosten – zur Folge. Wir brauchen Akteure, die auch bei Gegenwind für Klimaschutz einstehen, und breitere Bündnisse nicht nur für Ziele, sondern auch für Maßnahmen.
Diese Novelle des Klimaschutzgesetzes macht die Erfüllung der Klimaziele schwieriger und wirft auch juristische Fragen auf. In der Gesamtabwägung komme ich als Klimapolitikerin zu dem Ergebnis, dass die offenen Punkte und Schwächen der Gesetzesänderung gegenüber den Verbesserungen überwiegen. Unter dem Strich kann ich daher der Änderung des Klimaschutzgesetzes nicht zustimmen, weil klimapolitisch dringend erforderliche Maßnahmen insbesondere im Verkehrsbereich nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht werden.
Lisa Badum
Berlin, 25.04.2024