Das Ergebnis der Europawahl 2024 ist schwer zu verdauen und macht mich sehr nachdenklich. Für mich habe ich beschlossen: Noch stärker im Wahlkreis engagieren und noch mehr ins Gespräch mit den Menschen kommen.
Hier einige Fakten und meine Gedanken dazu:
1. Es war eine Europawahl, keine Bundestagswahl, daher sollten wir auch in andere europäische Länder schauen. Teilweise fehlen dort noch Ergebnisse. Aktueller Stand: In Frankreich wagt Macron mit Ausrufung von Neuwahlen ein gefährliches Spiel, von dem wir nur hoffen können, dass es gut ausgeht. In den nordischen Ländern ist das progressive Lager gestärkt worden gegen den Trend. Der übergreifende Trend war, dass in den Ländern jeweils die Opposition gegenüber der Regierung zugelegt hat. Insgesamt hat im Parlament die Europäische Volkspartei leicht zugewonnen sowie die Rechtsaußenfraktionen deutlich. Stabil bleiben die Sozialdemokraten. Verluste gibt es bei Liberalen und Grünen.
2. Zu unseren Ergebnissen in Deutschland: Das Ergebnis für uns Grüne mit 11,9 Prozent ist bitter.
Abwanderungen gab es im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 laut Wählerbefragung in folgende Richtungen: 500.000 Richtung Nichtwählerschaft, 500.000 Richtung CDU/CSU, 150.000 Richtung BSW.
Was können die Gründe für die Wählerabwanderung sein?
1. Die gesellschaftliche Stimmung ist völlig anders als 2019. Damals gab es eine millionengroße Klimabewegung auf den Straßen, Unzufriedenheit mit der Großen Koalition, Aufbruchstimmung. Jetzt haben wir Corona hinter uns, Krieg in der Ukraine und Energiekrise und Agieren dieser Krisen in der Regierung. Außerdem und da darf man sich nichts vormachen, laufen massive Desinformationskampagnen aus Russland in Zentraleuropa, besonders in Deutschland und Frankreich. Das bedeutet massive Beeinflussung über Social Media und andere Medien. Denn wenn Frankreich und Deutschland wackeln, dann ist ganz Europa gefährdet.
2. Da wir einerseits Richtung progressives Lager verloren haben – was man interpretieren könnte als „Ihr habt nicht genug Klimaschutz gemacht“ und andererseits in das konservative Lager, was man interpretieren könnte als „Ihr überfordert uns“, sind mehrere Schlussfolgerungen möglich: Die Widersprüchlichkeit, die Menschen inhärent ist, führt häufig dazu, dass man abstrakt Klimaschutz möchte, es ganz konkret aber als sehr große Herausforderung empfindet, sich mit einer neuen Heizungstechnologie zu beschäftigen. Also innere Widersprüchlichkeit.
3. Natürlich wird es auch Einige geben, für die das Thema Klimaschutz an und für sich schon sehr polarisierend ist. Diese werden wir wahrscheinlich nicht gewinnen können. Aber diejenigen die eigentlich wollen, aber ganz konkret nicht sehen wie es gehen soll. Die verunsichert war, wie der Heizungsumbau auch sozial flankiert werden kann. Die sich fragen, wie sie in der Stadt ohne Eigenheim ohne Solarstrom eigentlich von Erneuerbaren profitieren können. Wie Klimaschutz auch kurzfristig sozial gerecht abgefedert ist. Wir müssen aber auch feststellen, dass Klimaschutz in der Priorität eben nach unten gerutscht ist. Wichtiger ist nun Sicherheit. Außenpolitische Sicherheit – die Frage wo es im Ukrainekrieg hingehen soll und eigene Sicherheit und wirtschaftliche Existenz. Löhne sind gesunken und die Inflation ist immer noch hoch. Was tut die Regierung ganz konkret dagegen? Darauf haben die Leute keine aus ihrer Sicht ausreichende Antwort bekommen und Viele waren deswegen auch nicht bereit, sich mit weiteren Themen zu beschäftigen oder diese ernst zu nehmen.
Was kann man jetzt tun?
1. Kompromisse in der Regierung als solche deutlich machen: Nicht immer ist es möglich in einer Koalition das Maß an Klimaschutz durchzusetzen, was wir als notwendig erachten. Beispiel Klimaschutzgesetz. Das muss man deutlich machen, genauso wie wir umgekehrt stolz sind auf unsere Erfolge, wie das Solarpaket und insgesamt den Boom beim Ausbau Erneuerbarer Energien.
2. Unsere Kernkompetenzen stärken: Wir müssen insbesondere unser klimapolitisches Profil stärken, denn nicht wenige sind in diesem Bereich mit unserer Arbeit nicht zufrieden (siehe oben). Damit Klimaschutz aber breit akzeptiert wird, müssen wir ebenso viel stärker als bisher klar machen, dass er bezahlbar sein kann und jedem und jeder nutzt. Das heißt: Klimaschutz sozial gerecht gestalten (Stichwort: Klimageld).
3. TikTok allein wird das Problem nicht lösen, generell müssen wir (grüne) Abgeordnete weniger Zeit mit fachlichen Debatten verbringen und noch mehr Zeit im Gespräch mit Bürger:innen, Bürgerinitiativen, Wirtschaft, den Ehrenamtlichen, auch um zu erfahren, welche Maßnahmen für die Menschen praktisch nicht umsetzbar sind und warum. Oder um die Menschen zu unterstützen, die schon Vorbild sind für die Verbindung von Nachhaltigkeit und Wirtschaft.