Antrag: Die Europäische Union zur Klimaschutz-Union machen

Antrag der Abgeordneten Lisa Badum, Dr. Julia Verlinden, Ingrid Nestle, Dr. Franziska Brantner, Uwe Kekeritz, Katharina Dröge, Stefan Schmidt, Oliver Krischer, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia Kotting-Uhl, Steffi Lemke, Gerhard Zickenheiner, Harald Ebner, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Friedrich Ostendorff, Ottmar von Holtz, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Europäische Union zur Klimaschutz-Union machen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Jahr 2015 hat sich die Weltgemeinschaft bei der 21. UN-Klimakonferenz in Paris das Ziel gesetzt, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad, zu begrenzen. Dabei stehen vor allem die Industrienationen in der Pflicht. Nach dem angekündigten Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen kommt der EU und auch Deutschland eine zentrale Rolle zu. Deutschland ist innerhalb der EU verpflichtet, Beiträge zum europäischen und internationalen Klimaschutz zu liefern. Die EU wird – so sieht es das Pariser Abkommen vor – bis 2020 einen aktualisierten nationalen Klimaschutzplan (Nationally Determined Contribution – NDC) für 2030 bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) einreichen müssen.

 

Im September 2019 findet ein von UN-Generalsekretär Antonio Guterres einberufener Klima-Sondergipfel statt, bei dem die Staaten aufgerufen sind, bereits ihre geplanten Ambitionserhöhungen zur Erreichung der Pariser Klimaziele anzukündigen. Eine Erhöhung des derzeitigen Ziels von 40 % Emissionsreduktion wird bislang jedoch von der Bundesregierung blockiert, obgleich die bereits beschlossenen Maßnahmen voraussichtlich zu EU-weiten Emissionsminderungen von 50 % bis 2030 führen werden (www.euractiv.com/section/climate-strategy-2050/news/eu-emission-cuts-should-hitat-least-50-insists-study/).

 

Zudem sind die Vertragsstaaten des Pariser Abkommens angehalten, im Jahr 2020 langfristige Klimastrategien einzureichen. Ende 2018 hat die Europäische Kommission ihre Vision für eine EU-Langfriststrategie mit dem Ziel einer klimaneutralen europäischen Wirtschaft bis zum Jahr 2050 vorgestellt. Im Entwurf der EU-Kommission werden Optionen für Emissionsminderungen in der EU in acht Szenarien mit verschiedenen Technologiepfaden aufgezeigt. Die Szenarien setzen je nach Technologiepfad auf verschiedene Schwerpunkte, wie zum Beispiel auf erneuerbare Energien, Wasserstofftechnologien oder synthetische Kraftstoffe oder sind Kombinationen aus diesen. Dabei erreichen die ersten sechs Szenarien eine Emissionsreduktion von 80 % bis 90 % bis 2050. Nur zwei Szenarien erreichen Treibhausgasneutralität bis 2050.

 

Die Positionierung der Mitgliedstaaten zu den acht Szenarien ist derzeit in vollem Gange und Deutschland ist einer der wenigen Mitgliedsstaaten, die noch keine klare Position bezogen haben. Zu weiterführenden Ansätzen und Vorschlägen, wie ein weiteres Szenario mit 100 % erneuerbaren Energien bis 2050 oder eine europäische CO2Bepreisung für den Luftverkehr, schweigt die Bundesregierung. Deutschland steht so an der Seite von Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik, welche die Klimaschutzmaßnahmen der EU nicht mit dem 1,5-°C-Ziel in Verbindung bringen möchten.

 

Diese Staaten lehnen es sogar ab, Klimaneutralität mindestens bis 2050 zu erreichen, und boykottieren einen konstruktiven Prozess im Rahmen der EU-Langfriststrategie. Ihnen gegenüber stehen Frankreich, die Niederlande, Luxemburg, Spanien, Portugal, Finnland, Schweden, Dänemark, die EU-Kommission und das Europäische Parlament, welche alle Klimaneutralität bis spätestens 2050 fordern (www.euractiv.com/section/climate-strategy-2050/news/summit-leak-reveals-eu-rift-on-climate-change/; www.euractiv.com/section/climate-strategy-2050/news/eu-parliament-votes-for-55emissions-cuts-by-2030/).

 

Damit ist erneut zu sehen: Die Bundesregierung bremst die Bemühungen und progressive Vorschläge für eine ambitionierte Strategie einer treibhausgasneutralen EU bis spätestens 2050 aus. Diese Positionierung steht in eklatantem Widerspruch zu ihrer wohlfeilen Klimaschutzrhetorik und der Einsetzung des Klimakabinetts auf Bundesebene. Bis Ende 2019 muss die finale Version des derzeit vorliegenden Entwurfs des Nationalen Energie- und Klimaplans (NECP) der Bundesregierung bei der EU eingereicht werden. Mit dem NECP müssen die Mitgliedstaaten darlegen, wie sie zum derzeitigen europäischen Klimaschutzziel von 40 % Emissionsreduktion bis 2030 beitragen wollen.

 

Nach den bereits erwähnten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den derzeitigen Zielen und Plänen der Bundesregierung muss auch dieser NECP deutlich ambitionierter ausfallen. Bereits jetzt ist der Entwurf nicht kompatibel mit den auf Deutschland entfallenden Einsparmengen. Es wurde versäumt, konkrete Energie- und Klimaziele festzuhalten, und auf die Ergebnisse u. a. der Kohlekommission und das zu erarbeitende Maßnahmenprogramm 2030 verwiesen. Doch Empfehlungen der Kohlekommission können nur einen Teil der zu leistenden Klimaeinsparungen bringen, und das Maßnahmenprogramm 2030 wurde nach wie vor nicht vorgelegt.

 

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf

sich dafür einzusetzen, dass die Europäische Union zur Klimaschutz-Union wird. Dies beinhaltet, dass

 

• die europäische NDC von 40 % auf mindestens 60 % bis 2030 erhöht wird und diese Ambitionssteigerung auf dem Klimagipfel des UN-Generalsekretärs im September 2019 sowie auf der 25. Weltklimakonferenz in Chile im Dezember 2019 angekündigt wird;

 

• auf europäischer Ebene vor dem Klimagipfel des UN-Generalsekretärs außerdem eine ambitionierte Klimalangfriststrategie bis 2050 verabschiedet wird, welche Europa den Weg in eine klimaneutrale, sozial gerechte und wirtschaftlich robuste Zukunft weist. Dazu muss sich die Bundesregierung schnellstmöglich zur EULangfriststrategie positionieren und Szenarien und Technologiepfade unterstützen, die ohne Atomenergie und ohne den Einsatz gefährlicher Technologien für negative Emissionen zu Klimaneutralität bis spätestens 2040 führen. Außerdem muss die Bundesregierung Forderungen anderer Mitgliedstaaten – wie zum Beispiel Luxemburg, Österreich, Spanien oder Irland – unterstützen, die sich für ein zusätzliches Szenario mit 100 % erneuerbaren Energien aussprechen;

 

• unter Beteiligung des Bundestages und der Zivilgesellschaft bis Ende des Jahres ein Nationaler Energie- und Klimaplan bei der EU-Kommission eingereicht wird, welcher einen angemessenen deutschen Beitrag zu einem ambitionierten EU-Klimaziel bis 2030 leistet. Dazu muss schnellstmöglich das von der Bundesregierung angekündigte Maßnahmenprogramm 2030 erarbeitet und gemeinsam mit dem Klimaschutzgesetz vor der Sommerpause verabschiedet werden;

 

• zusammen mit anderen EU-Staaten wie Frankreich, den Niederlanden oder Dänemark ein wirksamer CO2-Mindestpreis innerhalb des europäischen Emissionshandels (ETS) eingeführt wird, der sich entlang der Klimaziele kontinuierlich erhöht und wirksame Grenzausgleichsmaßnahmen beinhaltet;

 

• in allen Sektoren außerhalb des europäischen Emissionshandels (ETS) eine CO2Bepreisung auf EU-Ebene eingeführt wird, um damit die Folgeschäden der fossilen Energienutzung stärker im Preis abzubilden, um die Verursachenden der Klimakrise unter Berücksichtigung notwendiger sozial- und wirtschaftspolitischer Kompensationsmaßnahmen wenigstens anteilig an den von ihnen verursachten Kosten zu beteiligen, sowie Anreize zu setzen, in klimafreundliche Alternativen zu investieren und alternativ mit einer nationalen CO2-Bepreisung voranzugehen;

 

• eine ambitionierte Klimaquote in den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen vereinbart wird. Die Kommission sieht vor, 25 % des Gesamtbudgets für Klimaschutzzwecke auszugeben. Das Europäische Parlament will 30 % der Mittel im gesamten Finanzrahmen für Klimaschutz vorsehen, dies unterstützen einige Mitgliedsländer wie Frankreich und fordern zusätzlich weitere 10 % der Ausgaben für Biodiversität. Die deutsche Bundesregierung sollte von ihrem Beharren auf der Quote von 25 % abweichen, sich den ambitionierteren Positionen anschließen und sich für einen mittelfristigen Anstieg dieses zweckgebundenen Anteils einsetzen;

 

• Klimapolitik und das Pariser Klimaabkommen prioritär in allen Bereichen der EU-Außenpolitik verankert wird und

 

– die EU ausschließlich Handelsabkommen abschließt, in denen der Pariser Klimavertrag als „essential element“ verankert ist, so dass ein Austritt aus dem Pariser Klimavertrag dazu führt, dass das Handelsabkommen gekündigt werden kann oder bei Nichteinhaltung des Pariser Klimaabkommens Sanktionen möglich sind;

 

– die Vorhaben der externen Investitionsoffensive der EU in Drittstaaten über den externen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD) und den externen Investitionsplan (EIP) am Pariser Klimaabkommen ausgerichtet werden;

 

– die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), welche heute schon besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, verstärkt im Rahmen der EU-Entwicklungszusammenarbeit bei der Klimaanpassung gefördert werden.

 

 

Berlin, den 7. Mai 2019
Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

 

 

 

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