#COP24 Der Multilateralimus lebt? Weltklimakonferenz in Katowice

What do we want? Climate Justice – When do we want it? Now! 

Ein Abschlussbericht von der COP24 in Katowice

 

Es war eine tolle Erfahrung, bei der wichtigsten Klimakonferenz seit Paris 2015 als eine von 30.000 TeilnehmerInnen dabei zu sein. In Paris hat sich die Weltgemeinschaft auf gemeinsame Klimaziele geeinigt, in Kattowice wurde die „Betriebsanleitung für Paris“, das rulebook, zur Erreichung der Klimaziele verabschiedet.

 

 

Worum ging es?

Vom 2. bis 16. Dezember 2018 wurde im polnischen Katowice verhandelt. Neben dem rulebook gab e zwei weitere inhaltliche KnackpunkteErstens sollten die national festgelegten Beiträge (NDC) (Nationally Determined Contributions) schon vor 2020 möglichst erhöht werden. Zweitens eine verlässliche Klimafinanzierung bereitgestellt werden. 

 

Was vorher geschah

Im Oktober, imVorfeld der COP24 veröffentlichte der Weltklimarat IPCC einen Sonderbericht zum 1.5-Grad-Ziel, welcher die Dramatik erneut darstellte, dass nur noch wenige Jahre Zeit bleiben, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Insbesondere wies der Bericht auf die Gefahr einer durch Rückkopplungseffekte ausgelösten neuen und unkontrollierbaren Heißzeit (#Heißzeit ist Wort des Jahres 2018) ab einer Erwärmung von 2 Grad hin. Der Bericht machte noch einmal  klar, dass es in den nächsten 12 Jahren – bis 2030 – massive Strukturwandel geben muss, um die Erderhitzung auf weit unter zwei Grad zu stoppen.  Es war klar, dass dieser Bericht, der von den Staaten selbst in Auftrag gegeben worden war, auch in Kattowice eine Rolle spielen würde. Die Bundesregierung reiste trotzdem ohne nennenswerte Klimaschutzerfolge nach Katowice. Durch die Vertagung des Endberichts der Kohlekommission konnte Deutschland im internationalen Kontext nicht den erwarteten und notwendigen Kohleausstieg vorstellen. Der neuste Klimaschutzbericht 2018 zeigte einmal mehr, dass die deutschen Klimaziele für 2020 dramatisch gerissen werden. Die international früher viel gefeierte Klimakanzlerin Angela Merkel fuhr kein einziges Mal innerhalb der zwei Konferenzwochen nach Polen und schickte lediglich Bundesumweltministerin Schulze als Vertretung. 

 

Allgemeine Bewertung:

Die COP24 endet mit einer Einigung. Es gibt ein Regelbuch, das auf dem kleinsten-gemeinsamen Nenner basiert. Ein Zeichen dafür, dass der Multilateralismus lebt, trotz Ausstieg der USA, dem geplanten Ausstieg von Brasilien und ewigen Bremsern wie Saudi-Arabien. Grundsätzlich haben sich Industrie, – Entwicklungs- und Schwellenländer nun den gleichen Regeln unterworfen, was lange strittig war. Unter einer Tonne CO2 muss aber weltweit das gleiche verstanden werden. Ab 2024 gelten für alle Länder (außer die 47 ärmsten) die gleichen Regeln was die Berichterstattung und die Einreichung von Klimaschutzbeiträgen angeht. Fatal ist  aber, dass es zu keiner Lösung im Streit um den Handel mit Verschmutzungsrechten kam (Art. 6, Pariser Abkommen). Dieser wurde auf die #COP25 in Chile verschoben. 

 

Ungeachtet dessen: Die wichtigste Klimakonferenz seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens ist eine herbe Enttäuschung. Schuld daran ist auch die Bundesregierung, die den Kohleausstieg vertagt, die Verkehrswende verschläft und die EU-Klimaziele immer wieder verwässert. Wer selber nicht liefert, kann anderen keine Zugeständnisse abringen.. Durch das verabschiedete Regelbuch wird aber noch keine einzige Tonne CO2 mehr eingespart. Zuviel wird in die Zukunft verschoben. Somit bleibt die zentrale Frage aber – was die einzelnen Staaten zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels beitragen – vollkommen unbeantwortet. 

 

Kein Klimaschutz ohne Zivilgesellschaft

Ohne Frage: Klimaschutz braucht intakte Demokratien und keine massive Einschränkung der Zivilgesellschaft vor Ort und den über 7000 aus aller Welt angereisten NGOs. Wir brauchen diese aktive Zivilgesellschaft. Die polnische Regierung verabschiedete vor der COP24 extra ein Gesetz, das spontane Demonstrationen verbot. Die Repressalien wurden ergänzt, indem die Daten aller COP-TeilnehmerInnen gespeichert und an die Polizei weitergeben wurden. Infolgedessen kam es zu erheblichen Einschränkungen der Zivilgesellschaft. Die friedliche Demonstration in Katowice am 8.12. wurde durch eine massive Polizeipräsenz begleitet. Zeitgleich wurden AktivistInnen grundlos an der Einreise nach Polen gehindert oder während ihres Aufenthalts für unbestimmte Zeit festgenommen.

 

Dass die polnische Regierung 13 AktivistInnen von NGOs die Einreise nach Polen verwehrte oder sogar ohne Begründungen AktivistInnen inhaftierte, darf in der Europäischen Union nicht geduldet werden. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie ihr gesamtes diplomatisches Gewicht einsetzt, um von der polnischen Regierung vollumfängliche Aufklärung und eine sofortige Einstellung dieses unsäglichen Verhaltens einzufordern. Der nationale wie internationale Druck muss weiterhin hochgehalten werden, um die Regierungen zum klimapolitischen Handeln zu zwingen.  

 

Katowice hat ebenfalls gezeigt: Die internationale Gemeinschaft schaut auf uns. Aus allen Teilen der Welt war auf der Klimakonferenz zu hören: Wenn Deutschland den Kohlausstieg nicht schafft, schaffen wir es auch nicht. Zivilgesellschaftliche Bewegungen über alle Länder-, Alters- und Perspektivgrenzen hinweg fordern von Industrieländern wie Deutschland den Erhalt unseres Planeten. Statt sich mit finanziellen Zusagen freizukaufen, muss die Bundesregierung ihrer globalen Verantwortung gerecht werden und auch zuhause endlich wieder zum Klimavorreiter werden – jetzt oder nie.

 

Ergebnis der inhaltlichen Knackpunkte:

Das Regelbuch („rule book“) 

Nach dreijährigen Verhandlungen wurde ein umfassendes Regelbuch zur Umsetzung der Übereinkunft von Paris erlassen. Auf dieser Grundlage wird von 2024 (im Gespräch war auch 2022) an weltweit nach gleichen Standards über Klimaschutzaktivitäten berichtet – das schafft zumindest eine Basis des Vertrauens

 

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Anhand der erlassenen Standards und Anrechnungsregeln sind zukünftig die Emissionen aller Länder vergleichbar, die selbstgesteckten Klimaschutzziele überprüfbar und die jeweiligen klimapolitischen Maßnahmen quantifizierbar.

 

Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die eingereichten Daten nicht älter als drei Jahre sein dürfen, wodurch die einzelnen Emittenten sich nicht hinter veralteten Datenerhebungen verschanzen können. 

 

Die Vorgaben des verabschiedeten Regelbuchs sind für alle Länder geltend. Allerdings wird den besonders schlecht aufgestellten Ländern eine Übergangszeit gewährt, um die Berichtsvorgaben möglichst umfänglich zu leisten. Dies bedeutet eine zeitlich begrenzte Flexibilität im Transparenzsystem für einige Länder.

 

Die Mitgliedsstaaten sind alle fünf Jahre verpflichtet eine Bestandsaufnahme der globalen Emissionen anhand der eingereichten Klimaschutzbemühungen vorzunehmen

 

Klimafinanzierung  

Klimafinanzierung war eigentlich ein eigener Verhandlungsstrang und wurde nicht direkt mit dem Regelbuch verhandelt. Allerdings hängen beide Aspekte zusammen, denn viele Entwicklungsländer fordern zusätzliche finanzielle Zusagen, um Minderungsbeiträge leisten zu können. Viele Industriestaaten lehnen diese Verknüpfung ab. Als Hauptverursacher der Klimakrise müssen sie aber für ihre historische Verantwortung einstehen. Im Regelbuch wird festgehalten, wie einzelne Fonds aufgefüllt werden – allerdings bleibt unklar, wie die Klimafinanzierung nach 2025 weiter geregelt wird.

 

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Die Industriestaaten hatten bereits vor der COP in Katowice zugesagt, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Euro für den grünen Klimafonds (GCF) zu mobilisieren, der eine kohlenstoffarmen und klimaresilienten Entwicklungen weltweit fördern soll. Deutschland kündigte zu Beginn der Weltklimakonferenz 1,5 Milliarden Euro für die Wiederauffüllung des GCF an, was allgemein sehr positiv aufgenommen wurde.

 

Darüber hinaus sicherte Bundesumweltministerin Schulze zusätzliche 70 Millionen Euro für den Anpassungsfonds zu, was u.a. von den deutschen NGOs begrüßt wurde. Der Anpassungsfonds hat bisher mehr als 80 Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt 532 Millionen Dollar genehmigt.

 

Keine Einigung wurde in Bezug auf die finanzielle Unterstützung für nicht mehr wiedergutzumachende Schäden in besonders armen und verletzlichen Staaten (Loss and Damage) erreicht. Wie gehabt wird das zugesagte Geld aus dem Anpassungsfond ausgezahlt. Solch Auszahlungen beziehen sich auf akute Schäden bedingt durch die Klimakrise und nicht für bereits irreversible klimabedingte Schäden bzw. Verluste.

 

Eine Kommission wird eingerichtet, welche die finanziellen Zusagen überwacht – allerdings werden dieser Kommission keine Sanktionsmöglichkeiten an die Hand gegeben. 

 

Keine Lösung gab es im Streit um den Handel mit Verschmutzungsrechten.. Die Entscheidung zum Marktmechanismus im Emissionshandel wurde auf die kommende Weltklimakonferenz vertagt. 

Der Talanoa-Dialog 

Bereits mit dem Abschluss des Pariser Klimaabkommens von 2015 war bekannt, dass die jeweiligen nationalen Klimaschutzanstrengung nicht ausreichen, um die Erderhitzung auf die vereinbarten Temperaturobergrenzen von 1,5 Grad Celsius bzw. unter zwei Grad Celsius zu halten. Der Talanoa-Dialog hatte zum Ziel bereits zur COP24 die Überarbeitung der NDCs für 2020 vorzubereiten. Am Ende des Dialogs sollten möglichst viele Vertragsstaaten dazu veranlassen schon in Katowice neue CO2-Minderungszusagen anzukündigen. 

 

Die Ergebnisse im Einzelnen: 

Die Ergebnisse sind ernüchternd. Die Vertragsstaaten bekräftigen die Notwendigkeit ihre nationalen Klimaschutzmaßnahmen zu stärken, um global mehr für den Klimaschutz zu tun – doch es bleibt bei unpräzisen Aussagen und reinen Lippenbekenntnissen. Im Rahmen der COP24 kam es zu keinen nennenswerten Zusagen für ambitioniertere NDCs.

 

Schmerzhaft ist auch der Wegfall der USA als konstruktive Kraft in den Verhandlungen. Der Talanoa-Dialog, der zur Ankündigung erhöhter Klimaschutzbeiträge hätte führen sollen, wurde nur von Ländern ernst genommen, die selbst am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. Dass die Marshall-Inseln, Fiji und die Malediven in diesem Prozess vorangehen mussten, ist beschämend. 

 

Das Jahr 2020 ist nun entscheidend für die globalen Klimaschutzanstrengungen. In zwei Jahren sind die über 200 Mitgliedsstaaten aufgefordert ihre NDCs nach zu schärfen und jeweils höhere klimapolitische Ambitionen zu präsentieren. Deutschland muss endlich aufhören zu bremsen und vor der globalen Bestandsaufnahme im Jahr 2020 mit Nachdruck für einen echten europäischen Klimaschutz eintreten.

IPCC-Bericht

Auf der Weltklimakonferenz kam es zum Eklat in Bezug auf den Umgang mit dem IPCC-Bericht. Der Großteil der Staaten wollte den Bericht „begrüßen“, doch leider hat sich eine Allianz aus den USA, Saudi-Arabien, Kuwait und Russland gebildet, welchen den Sonderbericht nur „zur Kenntnis“ nehmen wollten. Die Abschlussentscheidung würdigt nur den Bericht in allgemeiner Form und fordert eine Berücksichtigung der Erkenntnisse ein. 

 

Allerdings ist dies ein fatales Signal: Denn die eindringliche Erkenntnis der Wissenschaft findet nicht dezidiert Niederschlag im Abschlussdokument der COP. Es gibt allerdings unterschiedliche Auffassungen darüber wie wichtig die Entscheidung ist, da der Bericht insofern ja offiziell ist, da er von den Staaten selbst in Auftrag (in Paris 2015) gegeben wurde.

 

Just Transition

Zum Auftakt der Klimakonferenz stellte die polnische COP-Präsidentschaft die „Solidarity and Just Transition Silesia Declaration“ vor. Deutschland und die EU gehören zu den etwa 40 Unterstützern der Deklaration. Obwohl sich der Inhalt der Erklärung im Vergleich zum ersten Entwurf stark gebessert hat, fehlt der Erklärung nach wie vor ein globales Verständnis von „Just Transition“ – ein gerechter Strukturwandel betrifft nicht nur die KohlearbeiterInnen im globalen Norden, sondern auch all diejenigen Menschen des globalen Südens, denen der Verlust ihrer Heimat droht. Ein gestaltbarer Strukturwandel vor der eigenen Haustür darf nicht gegenüber dem weltweiten unfreiwilligen Strukturwandel im globalen Süden auszuspielen werden. Denn Menschen aus der Lausitz und Tuvalu haben das gleiche Interesse: Bewahrung ihrer Heimat. 

 

Weitere Informationen

Aus  Nachbarländern wie den Niederlanden, Finnland, Frankreich und Großbritannien aber auch aus Kanada kamen die Signale, dass Deutschland endlich wieder klimapolitisch vorangehen muss. ParlamentarierInnen aus Kanada haben die deutsche Delegation noch einmal eingeladen, uns endlich der Powering Past Coal Alliance anzuschließen.

 

Die Beneluxstaaten wollen ein Bündnis mit ParlamentarierInnen aus ganz Europa schließen, für ehrgeizigere Klimaziele-und aktionen. Die Niederlande gehen hier mit ihrem neuen Klimaschutzgesetz voran. 

Die Abgeordneten und die Zivilgesellschaft aus Brasilien waren extrem beunruhigt darüber wie es mit dem neuen Präsidenten weitergehen wird. Wir müssen hier alle unsere Instrumente über die Handelspolitik bis zu unserem finanziellen Engagement im Amazonas-Fund nutzen, um Druck für Klima- und Umweltschutz auszuüben.

 

Entsprechend dem klimapolitischen Versagen der Bundesregierung kam Deutschland im neuesten Klimaschutz-Index von Germanwatch, CAN Europe und dem New Climate Institute nur auf Platz 27 – ein Abrutschen von 5 Plätzen. Die Spitze führen Schweden, Indien und Litauen an. 

Außerdem wurde Deutschland am 7.12. vom Climate Action Network der Negativpreis „Fossil of the Day Award“ verliehen. Eine echte Blamage für die Bundesregierung

 

Das Gastgeberland der nächste Weltklimakonferenz (COP25) wird Chile sein. Die beiden Länder erklärten sich bereit, für Brasilien einzuspringen. Der designierte Präsidenten Jair Bolsonaro zog das Angebot zur Ausrichtung der nächsten COP 2019 für sein Land zurück.  

Für September 2019 hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen Guterres zu einem Klimagipfel nach New York eingeladen.