Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes – Stärkung des Klimaschutzes

Gesetzentwurf der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Manuela Rottmann, Lisa Badum, Lisa Paus, Annalena Baerbock, Dr. Bettina Hoffmann, Sylvia Kotting-Uhl, Steffi Lemke, Harald Ebner, Matthias Gastel, Kai Gehring, Stefan Gelbhaar, Britta Haßelmann, Stephan Kühn (Dresden), Renate Künast, Dr. Ingrid Nestle, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Dr. Julia Verlinden, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

A. Problem

Der weltweite Temperaturanstieg (Klimakrise) ist eine existenzielle Bedrohung für die gesamte Menschheit. Die Staatengemeinschaft hat sich deshalb mit dem am 04.11.2016 in Kraft getretenen Pariser Abkommen vom 12.12.2015 konkrete Ziele zur Begrenzung des Temperaturanstiegs gesetzt, die die Staaten mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen haben. Diese völkerrechtlichen Pflichten haben für das deutsche Gemeinwesen ein derartiges Gewicht, dass sie auch auf Ebene der Verfassung konkret verankert werden müssen. Alle staatlichen Gewalten – einschließlich des Gesetzgebers – müssen auf Ebene der Verfassung so gebunden sein, dass zumindest die völkerrechtliche Mindestvorgabe erreicht wird. Zwar enthält Artikel 20a GG bereits jetzt die Pflicht für alle staatlichen Gewalten, zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen tätig zu werden. Dies umfasst selbstverständlich auch den Klimaschutz. Dennoch hat die bisherige Fassung des Artikels 20a GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in manchen Konstellationen eine hohe Durchschlagskraft nur dann, wenn der einfache Gesetzgeber bereits Konkretisierungen vorgenommen hat. Die Dringlichkeit des Problems erfordert es, eine solche grundlegende Konkretisierung festzulegen und dies auf Ebene der Verfassung selbst.

B. Lösung

In Artikel 20a wird deshalb konkretisierend eingefügt, dass die internationalen Zielvorgaben bei der Erfüllung der Schutzpflicht verbindlich sind. Zugleich werden dem Bund klarere hinsichtlich der Verbrauchssteuern auch fiskalische Gesetzgebungsbefugnisse im Bereich des Klimaschutzes gegeben, um ihm auch in Grenzbereichen der bestehenden Gesetzgebungskompetenzen ein Gesamtkonzept zum Klimaschutz zu ermöglichen. Gleichzeitig wird der bestehende Konsens zum Ausstieg aus der Atomenergie auf Ebene der Verfassung festgeschrieben. Damit ist verfassungsrechtlich gesichert, dass nicht das eine Ziel (Klimaschutz) gegen das andere (den ebenso elementaren Schutz der natürlichen Lebendgrundlagen vor den existenziellen Gefahren der Atomenergie) ausgespielt werden kann.

 

C. Alternativen

Angesichts der fortschreitenden Klimakrise und der hinter dem Erforderlichen zurückbleibenden bisherigen Klimapolitik Deutschlands ist eine verfassungsrechtliche Stärkung des Klimaschutzes unumgänglich. Hinsichtlich der Formulierung haben die Antragsteller erwogen, ob alternativ zur Bindung an die „völkerrechtlichen Vereinbarungen und Ziele“ in diesem Bereich besser in der Verfassung selbst konkrete Vorgaben zur Reduzierung von Treibhausgasen gemacht werden sollen. Diese Alternativlösung wurde aus mehreren Gründen nicht gewählt. Zum einen wäre eine solche Regelung auf Ebene der Verfassung zu starr, um auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Zum anderen hat die hier vorgeschlagene Regelung nicht nur den Vorteil, dass sie eine dynamische Reaktion auf künftige Entwicklungen – im Rahmen der Völkergemeinschaft – ermöglicht, sondern gerade auch den besonderen Vorteil, dass sie den Klimaschutz im Grundgesetz in das Handeln der internationalen Gemeinschaft einbettet.

 

Wirksamer Klimaschutz ist nur durch gemeinsames Handeln der Völkergemeinschaft erreichbar. Hinsichtlich der Klarstellung bei den allgemeinen Gesetzgebungsbefugnissen wäre im Rahmen des Artikels 74 GG auch die Verankerung einer allgemeinen Kompetenz „Umweltschutz“ denkbar gewesen, wie sie in der Diskussion um die Föderalismusreform gefordert worden ist. Die Verfasser wollten diese Diskussion angesichts zu erwartender Widerstände jedoch nicht wieder aufnehmen und haben ihren Regelungsvorschlag daher auf das Notwendige beim Klimaschutz beschränkt. Zur Stärkung der fiskalischen Handlungsmöglichkeiten wäre an Stelle der vom Entwurf gewählten minimalinvasiven Lösung (Definition des Verbrauchssteuerbegriffs) – ergänzend oder alternativ – auch die Verankerung einer allgemeinen Flexibilisierungsklausel zur Ergänzung des jetzigen historisch gewachsenen und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abschließenden Katalogs der Steuern denkbar gewesen. Für eine Diskussion über solche Lösungen mag auch für andere Bereiche als den Klimaschutz in Hinblick auf künftige gesellschaftliche Entwicklungen Anlass bestehen (z. B. Stichwort „Datensteuer“). Diese allgemeine Diskussion ist jedoch gründlich zu führen. Der Entwurf beschränkt sich deshalb auch im fiskalischen Bereich auf das für den Klimaschutz Notwendigste.

 

D. Kosten

Unmittelbare Kosten entstehen durch die Regelung im Grundgesetz nicht. Im Übrigen gilt, dass auch kostenträchtige Maßnahmen auf dem Gebiet des Klimaschutzes Deutschland weniger kosten werden, als es die Folgen eines ungebremsten Klimawandels täten.

 

 

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