Bürgerinnen und Bürger sollten beim Klima mitreden

Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau

Das Klimaschutzgesetz tritt dieses Jahr zum ersten Mal in Aktion und die Bundesregierung muss Verantwortung für ihre CO2-Bilanz übernehmen. Heute beziehen, wie im Gesetz festgelegt, Umweltbundesamt und Ministerin Schulze (Svenja, SPD, Anm. d. Red.) Stellung zu Deutschlands Emissionen im Jahr 2020 und kommen wohl mit Ach und Krach hin, auch wenn es dafür eine Pandemie und einen der wärmsten Winter aller Zeiten brauchte.

Aber die Klimakrise bremsen wir nicht mit Wirtschaftskrisen, sondern mit Umdenken und Neudenken der überholten Systeme. Gerade in der Corona-Krise, gerade während großer Lobbyskandale, wird klar, dass die alten Antworten für Zukunftsfragen nicht mehr ausreichen. Deshalb sollte ein Bürger:innenrat an der CO2-Bilanz des Klimaschutzgesetzes mitprüfen.

Am nächsten großen Klimastreiktag, dem 19. März, befinden wir uns über ein Jahr in der Pandemie. Direkt nach dem Corona-Einbruch lautete eine der ersten Fragen: Ist so eine Krise nicht gut fürs Klima, schließlich sparen wir gerade Emissionen? Antwort: Nein, der Effekt ist verschwindend gering und wird eingeholt. Genau das hat sich bestätigt. Der globale CO2-Ausstoß steigt und steigt, trotz der Wirtschaftseinbrüche. Schon Ende 2020 überholten viele Länder ihre Emissionen aus dem Vorjahr. Die Chance eines Konjunkturprogramms, Corona- und Klimakrise gemeinsam zu bekämpfen, wurde nicht genutzt.

Wir müssen die Strukturen für eine klimagerechte Gesellschaft ändern. Um diese Antworten zu formulieren, brauchen wir nicht nur Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch die Gesellschaft. Bürger:innen sollen bei den Grundsatzfragen der Klimapolitik mit am Tisch sitzen. Sie sind Expert:innen für ihr eigenes Leben. Wir alle tragen Verantwortung, den Planeten lebenswert zu erhalten, und müssen mit den Konsequenzen leben, die unsere Entscheidungen verursachen.

Nach einem Jahr Pandemie spielt sich viel politisches Handeln in der Exekutive ab. Die Ministerpräsident:innenkonferenz nimmt eine dominante Rolle ein, Parlamente treten in den Hintergrund und das Virus diktiert den Rhythmus. Zunehmend fordern Parlament und Gesellschaft eine stärkere Rolle zurück. Mitten in der Notlage bereichern sich auch noch einige und missbrauchen ihre Machtposition.

Die Diskussion über die Rolle der Lobbys ist nicht neu, auch und gerade in der Energie- und Klimapolitik. Das Wirtschaftsministerium hielt ein Jahr lang Gutachten zum Kohleausstieg zurück, die das Abreißen von Dörfern am Tagebau Garzweiler hätten verhindern können. Der Bau von North Stream2 wird vom Finanzministerium mit einem schmutzigen Deal-Angebot an Donald Trump flankiert. Gleichzeitig stockt der Ausbau der erneuerbaren Energien, und die Hauptgegner:innen der Windkraft sitzen dreist mitten im Wirtschaftsministerium.

Die Energie- und Klimapolitik braucht mehr Öffentlichkeit und Mitbestimmung, denn es geht nicht um Beute für Einzelne, sondern um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.

Wir brauchen eine Form der Bürger:innenbeteiligung, die das Parlament stärkt. Die Rolle des Parlaments soll mit der Übersetzungsleistung in die Gesellschaft verbessert werden. Darum ist es zentral, dass neue partizipative Foren mit formell legitimierten Entscheidungsgremien wie dem Deutschen Bundestag strukturiert verbunden werden.

Die Forderung einer Klimabeteiligung gibt es schon lange und viele Organisationen setzen sich ausdauernd dafür ein. Im Februar erreichte die Petition für einen Klima-Bürger:innenrat knapp 70 000 Unterschriften und wurde im Petitionsausschuss des Bundestags debattiert.

Das Bundesklimaschutzgesetz soll dabei helfen, dass Deutschland seine Klimaziele erreicht. Dabei hat sich die Bundesregierung Unterstützung aus der Wissenschaft geholt: Ein Rat aus Klimawissenschaftler:innen (Klimarat) prüft jedes Jahr, ob die Ministerien ihre Zielvorgaben einhalten. In einem ersten Entwurf des Klimagesetzes stand dort, neben den Wissenschaftler:innen, auch die Beteiligung der Bürger:innen, doch die CDU/CSU war dagegen.

Es wäre also eine leichte und schnelle Änderung, das Klimagesetz wieder anzupassen und ergänzend zur Prüfung und Beratung durch den Klimarat genau die gleichen Aufgaben an Bürger:innen zu übertragen. Jedes Jahr würde eine im Proporz ausgeloste Gruppe – mit fachlicher Unterstützung des Klimarats – auch die Emissionsentwicklung prüfen und Empfehlungen an Bundesregierung und Bundestag aussprechen, auf die die Ministerien reagieren müssen. Ein sehr konkreter erster Schritt, die Gesellschaft in den großen Klimafragen einzubinden.

Lisa Badum ist Sprecherin für Klimapolitik der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag.