Fünf Ideen für die klimagerechte Wirtschaft von morgen

Mit Krisenbekämpfung Zukunft schaffen

Gastbeitrag bei t-online.de

Der Bundestag hat das größte Rettungspaket in der Geschichte der Bundesrepublik verabschiedet. Die Milliardenhilfen sind wichtig. Deutschland muss schnell und entschlossen handeln. Doch wenn wir 600 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen, um zu helfen, sollten wir auch versuchen, etwas aufzubauen, was eine Zukunft hat. “Verschwende nie eine Krise”: Jetzt kommt es darauf an, Technik zu fördern, die nachhaltig ist, und Jobs zu retten, die in zehn Jahren noch existieren.

Als Klimapolitikerin und Abgeordnete für eine Region im Umbruch, in der ein Fünftel der Beschäftigten in der Automobilzuliefererbranche arbeiten, weiß ich, wie wichtig es ist, dass Wirtschaftshilfen die Zukunftsakteure von morgen fördern.


Meine fünf Klima-Ideen für die Corona-Krisenbewältigung:



1. Klima-Rückfall nach der Krise vermeiden



Das deutsche Klimaziel 2020 von minus 40 Prozent CO2-Emissionen seit 1990 soll „dank Corona“ nun doch noch erreichbar sein. Aber wir erreichen das Klimaziel 2020 nur, weil die Produktion stockt und das öffentliche Leben pausiert. Wenn wir jetzt nicht die Weichen stellen, werden die Emissionen danach wieder explodieren.

Auch nach der Finanzkrise 2008/2009 gingen klimaschädliche Abgase leicht zurück. Danach jedoch wurde umso mehr schmutziges CO2 in die Atmosphäre gepumpt. Die Politik hatte es versäumt, Kohle, Öl und Gas ihren realen Preis zu geben und endlich die Hindernisse für Erneuerbare Technologien aus dem Weg zu räumen. Auch jetzt ist der Ölpreis  wieder niedrig und der Preis für eine Tonne CO2 im Emissionshandel ist aufgrund der sinkenden Stromnachfrage von 23 Euro Mitte Februar auf 16 Euro Ende März abgestürzt.

Die Folgen sind fatal: Gerade in der Krisen- und Transformationsphase bleibt es billig, Kohlekraftwerke zu betreiben, Ölheizungen zu verkaufen und Zement zu verbauen. Wir müssen gegensteuern. Der Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft wird nicht auf Grundlage von zufälligen Ereignissen passieren. Die schnelle Einführung des CO2-Preises  (25 Euro pro Tonne CO2 sind noch nicht im Bundestag beschlossen) und die Forcierung eines CO2-Mindestpreises im Emissionshandel von 40 Euro sind erste nötige Sofortmaßnahmen.


2. Umweltministerium gehört in den Krisenstab


Das Corona-Rettungspaket nutzt vorhandene Strukturen und das Wissen von vielen Akteuren. So setzt der Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf dem Finanzmarktstabilisierungsfonds auf, der zuletzt für die Finanzkrise- und Eurokrise aktiviert wurde. Die Expertise folgender Ressorts ist im „Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Ausschuss“ eingeplant: Bundeskanzleramt, Finanzministerium, Wirtschaftsministerium, Arbeitsministerium, Justiz- und Verkehrsministerium. Es könnte auch das Know-How des Bundesumweltministeriums genutzt werden. Immerhin soll der Wirtschaftsstabilisierungsfonds bis Ende 2021 begründete Verbindlichkeiten von Unternehmen übernehmen.

Im Gesetz heißt es: „Das Regelungsvorhaben wird evaluiert. […] [Die Evaluation dient] dazu, angesichts des sehr hohen finanziellen Volumens, den Informationsbedarf der Bürgerinnen und Bürgern sowie der Unternehmen zu bedienen […].“ So können geplante Maßnahmen auf ihre Überstimmung mit dem Klimapaket, dem Klimaziel 2030 und letztlich dem europäischen Green Deal geprüft werden. Der im Klimaschutzgesetz vorgeschriebene wissenschaftliche Beirat könnte ebenfalls und früher als geplant aktiviert werden.  Das beste Beispiel für nötige ökologische Kontrolle und Leitlinien sind die geplanten Hilfen der Bundesregierung für die Firma Lufthansa, die für 44 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß jährlich verantwortlich ist.

Insbesondere bei zukünftigen Konjunkturmaßnahmen kann Expertise aus dem BMU helfen. Denn nicht jede Maßnahme, die kurzfristig positiv für den Binnenmarkt scheint, hilft den Branchen langfristig und ist ökologisch sinnvoll. Da die Abwrackprämie 2009 abgesehen von der Abgasnorm Euro 4 an keine weiteren Auflagen geknüpft war, blieb sie ein Strohfeuer und trug weder zu einer Mobilitätswende noch zur Innovationsentwicklung in der Automobilbranche etwas bei.



3. Beschäftigung fördern, Umweltverschmutzung verteuern



Gerade in und nach der Krise können die Weichen für eine grüne Transformation der Wirtschaft gestellt werden. Wenn wir aktuell die Steuern betrachten, so ist der Anteil der Einnahmen aus Umweltverschmutzungssteuern- und –abgaben im Bundeshaushalt kontinuierlich niedrig. Seit 2003 wurden die Steuern nicht angepasst. Unverändert hoch sind die Steuereinnahmen aus dem Faktor Arbeit. Folge: Gerade jetzt in der Krise und auch während des Wiederaufbaus bleibt es unverändert billig, schmutzig zu wirtschaften und den Planeten auszubeuten. Das darf nicht sein. Die Forderung nach einem Aussetzen des Klimapakets aus Teilen der Union hätte daher fatale Folgen für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Das Gegenteil brauchen wir. Die Botschaft in und nach der Krise kann eine bessere sein: Die Steuern auf Verschmutzung sollten nach oben, die Klimaprämie damit aktiviert und der Faktor Arbeit nicht weiter belastet werden. Der Beschluss des Vermittlungsausschusses für 25 Euro pro Tonne CO2 bei Wärme und Verkehr muss schnellstmöglich im Bundestag umgesetzt werden und kann nur der Anfang sein. Denn gleichzeitig würde die Entlastung bei der EEG-Umlage und damit beim Strompreis beschlossen werden, die die Sektorkopplung und die Energiewende fordert und Bürgerinnen und Bürger entlastet. Überfällig ist die Abschaffung des 52-GW Solardeckels. Photovoltaik-Projekte ohne Förderung sind aktuell gefährdet, bis genauere Prognosen über den Sektor gemacht werden können. In dieser Situation am Deckel festzuhalten ist grob fahrlässig und gefährdet die ganze Branche. Ebenso hinderlich ist, dass der Streit um die Windkraft-Abstände noch ungeklärt ist. Die Schwankungen im Europäischen Emissionshandel zeigen außerdem, dass es ohne einen Mindestpreis keine Planungssicherheit gibt. In der Zeit der niedrigen Rohstoffpreise macht es Sinn, das Dieselprivileg abzuschmelzen, die Dienstwagenbesteuerung zu reformieren und ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer zugunsten emissionsarmer Autos vorzunehmen.



4. Wie regionale Transformation gelingt – Beispiel Automobilindustrie



Alle diese Maßnahmen schützen UnternehmerInnen und Beschäftigte, die wir für die grüne Wirtschaft der Zukunft brauchen. Beispiel Automobilindustrie: Die Branche steckt mitten in der Transformation. Die globalen Lieferketten werden durch Handelsstreit und Brexit-Umsetzung blockiert und die Antriebstechnik des Autos und die Nachfrage nach Mobilität wandelt sich. Corona beschleunigt diese Entwicklung. VW und Daimler haben den Stopp der Produktion erklärt und damit fahren auch Automobilzulieferer herunter. Daher verwundert es nicht, wenn der Verkehrsminister davon spricht, dass man alles tun müsse, um die Automobilindustrie zu erhalten. Jetzt ist wichtig, dass wir dabei nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Die letzte „Rettungsaktion“ für die Automobilindustrie, die Abwrackprämie, brachte langfristig keine positiven Effekte für Beschäftigung und für den Industriestandort Deutschland.

Für die Automobilbranche ist wichtig:

Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung, die den Kauf von neuen Autos fördern, müssen emissionsfreie Autos fördern. Die Bundesregierung muss den Ausbau vernetzter Mobilität jenseits des Autos im Blick haben. Denn wichtig ist genauso den Mobilitätsmarkt der Zukunft zu befördern, und ÖPNV und Schienenwege auszubauen. Das wurde bei den Konjunkturpaketen 2009 versäumt. Mobilität der Zukunft wird nur mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien funktionieren. Grüne Reformen sorgen für die Bereitstellung grüner Energie und neue Standbeine für UnternehmerInnen in der Automobil(Industrie).



5. Europäischen Green Deal jetzt weiterdrehen



In diesen Monaten wird sich entscheiden, ob die Corona-Krise als Beispiel von nationaler Abschottung und Grenzschließungen in den Köpfen bleibt oder als Beispiel von Solidarität. Klar ist, der Europäische Green Deal kann keine Kraft entwickeln, wenn südeuropäische Wirtschaften nach Corona einbrechen und es nur Deutschland gelingt, die Krise abzufedern. Gemeinsame Solidarität ist gefragt.

Es ist richtig, dass auch die Europäische Kommission ein Paket von 25 Milliarden für Sektoren ankündigt, die schwer von dieser Gesundheitskrise betroffen sind. Dabei hat Vizekommissionspräsident Timmermanns bereits angekündigt dass die Gelder sich am Green Deal ausrichten sollen. Der Zeitplan für ein höheres EU-Klimaziel 2030, das Klimaschutzgesetz, die Industriestrategie und die Vorbereitung auf die Klimakonferenz bleibt und ist wichtig für die Krisenbewältigung.

Und wir müssen über Europa hinausschauen. Entwicklungs- und Schwellenländer werden proportional stärker von Corona-Auswirkungen betroffen sein. Es geht um die überforderten Gesundheitssysteme, aber auch um die Folgen auf die Wirtschaftssysteme dieser Länder.  Wir begrüßen daher die Initiative Norwegens für einen internationalen Corona-Hilfsfonds auf UN-Ebene. Corona-Partnerschaften für den anschließenden Wiederaufbau, auch der Energieversorgung, müssen Green Deal-Partnerschaften sein.



Als Gastbeitrag erschienen bei t-online.de