Für angemessene Preise für Energie

Frankfurter Rundschau

 

Gastbeitrag von Lisa Badum

Der Kohleausstieg alleine reicht nicht, um den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren. Auch die Energie muss anders bepreist werden.

 

Derzeit zahlen alle Verbraucherinnen und Verbraucher zu viel: Solange Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch keinen ehrlichen Preis haben, profitieren jene, die klimaschädigend Handeln – auf unser aller Kosten. Wir müssen deshalb unser Abgabensystem endlich deutlich gerechter machen.

 

Ökologisch ehrliche Preise belohnen dagegen mittelständische Unternehmen und Verbraucherinnen sowie Verbraucher, die mit Ressourcen verantwortungsvoll umgehen. Innovative Technologien und bewusstes Verhalten vermeiden Emissionen.

Ein mittelständisches Unternehmen, das bisher nicht von Steuern und Abgaben befreit ist wird mit diesem Konzept bei einer Abschaffung der Stromsteuer dazugewinnen. Ein Single, der seinen Pendlerweg ab jetzt mit dem öffentlichen Nahverkehr oder einer Fahrgemeinschaft bestreitet, profitiert.

 

Eine Familie, die vielleicht länger braucht um ihre Fahrtwege umzustellen, wird durch eine Pro-Kopf-Rückerstattung entlastet. Und große Industriebetriebe, die vorangehen, wie die Salzgitter AG, die plant, Kohlenstoff durch Wasserstoff bei der Stahlerzeugung zu ersetzen, sind die Gewinner von ökologisch ehrlichen Preisen.

 

Der Weg aus der Klimakrise wird nicht über einen Kohlendioxid-Preis allein führen. Natürlich brauchen wir flankierende Maßnahmen: Ein Gebäudeenergiegesetz, die Abschaffung des Dieselprivilegs, Förderung von sauberen Antriebstechnologien und Stärkung der E-Mobilität auf europäischen Straßen, sowie den raschen Kohleausstieg.

 

Aber trotz hoffentlich bald gesetzlich fixiertem Kohleausstieg ist klar: ohne preisliche Ausrichtung entlang der Klimaschädlichkeit der Energieträger wird es extrem schwer. Zurzeit leisten wir uns in Europa zwei Systeme, die Treibhausgase einsparen sollen: Den Emissionshandel ETS, der die Bereiche Strom und Teile der Industrie erfasst, und zweitens den Effort-Sharing-Mechanismus, der Versagen in den Sektoren Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude sanktioniert.

 

Hier drohen Strafzahlungen von 30 bis 60 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2030. Diesen volkswirtschaftlichen Schaden lässt die Bundesregierung seelenruhig auf sich zukommen. Und wir leisten uns die absurde Situation, dass diese Bereiche Sanktionen unterstellt sind, jedoch keiner systematisch klimapolitischer Kontrolle unterliegen.

Deutschland muss als große Industrienation handeln. Der Einstiegspreis sollte bei 40 Euro pro Tonne CO2 starten, für alle Sektoren gelten, und zunächst bis zum Jahr 2030 jährlich aufwachsen. Vor allem für Wärme und Verkehr werden so überhaupt erst Klimaregeln geschaffen. Neben der Lenkungswirkung muss ein CO2-Preis sozial gerecht und wirtschaftlich verantwortungsvoll sein.

 

Ich schlage daher eine Ergänzung der bestehenden Energiesteuern vor. Aktuell ist Strom, obwohl mit einem Erneuerbaren-Anteil von 40 Prozent, mit hohen Steuern und Abgaben belastet. Konkret: Strom ist zweieinhalbmal höher als Benzin und Diesel, achteinhalbmal höher als Erdgas und sogar über 30-mal höher als Heizöl belastet. Ein CO2-Preis von 40 Euro begradigt das verzerrte Verhältnis. Im ETS setzen wir uns ebenfalls für einen Mindestpreis von 40 Euro pro Tonne ein.

 

Grundsätzlich soll ein CO2-Preis aufkommensneutral sein, und nicht dazu dienen, dass der Staat Mehreinnahmen generiert. Die Sektorkopplung wird weiter angereizt, VerbraucherInnen und mittelständische Unternehmen durch eine Abschaffung der Stromsteuer entlastet. Zusätzlich müssen die ausgeuferten EEG-Ausnahmentatbestände abgeschmolzen und an die Regeln im ETS angepasst werden. Es geht nicht, dass gerade einkommensschwache Haushalte überproportional Lasten für die Industrie übernehmen.

 

Ein Teil der neuen Mittel wird als Klimabonus an die Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt. Durch die Pro-Kopf-Ausschüttung profitieren gerade Familien. Die zusätzlichen Einnahmen aus dem ETS-Sektor könnten in Energiewirtschaft und Industrie direkt in den Klimaschutz investiert werden.

 

Dazu gehört ein Programm zum sozial- ökologischen Umbau der Wärmeversorgung (Aktionsplan „Faire Wärme“) oder die Förderung von Leuchtturmprojekten zur Dekarbonisierung. Die CO2-Abgabe ist ein erster, aber unabdingbarer Schritt, dem dann weitere folgen müssen.

Insbesondere muss die Bundesrepublik umgehend die positiven Signale anderer Staaten wie Frankreich aufgreifen. Und zusammen muss eine Bepreisung auf europäischer und internationaler Ebene endlich vorangebracht werden.