Matriarchat als Paradies?

Gerade wenn frau sich mit den weltweiten Menschenrechtsverletzungen an Frauen befasst, sehnt sie sich nach paradiesischen Zuständen. Und im Matriarchat scheinen diese tatsächlich noch zu herrschen. Zumindest werden Frauen dort nicht körperlich deformiert, um irgendwelchen seltsamen kulturellen Standards zu genügen.

 

Neben den sehr speziellen Büchern von Heide Göttner-Abendroth (der Name ist Programm!) wollte ich mich mal anderen Interpretationen zuwenden. Stoff dafür lieferte das Buch „Das Paradies ist weiblich“ von Ricardo Coler, der bei den Mosuo in China lebte. Nicht besonders paradiesartig fand ich den Müßiggang der Männer, der ausführlich beschrieben wurde. Gut, sie haben keine großartige Macht, aber dafür scheinen sie außer ein bisschen Fischfang nichts zu reißen. Andererseits: Liegt nicht auch in vielen Ländern des Südens die schwere körperliche Arbeit in Frauenhänden, die dafür aber nicht einmal eine Machtposition erreichen?

 

Zweitens wurde mir wieder einmal klar: Auch hier sind Frauen hauptsächlich für das Zubereiten der Nahrung und die Kindererziehung zuständig. Die Frage scheint nur zu sein, wie das Ganze gestaltet wird. Natürlich ist hier nicht eine vereinzelte Frau mit den Aufgaben betraut, sondern eine ganze Sippe. Trotzdem ich könnte mich über diese Aufgaben allein einfach nicht verwirklichen. Da mögen sie noch so wichtig sein.

 

Emotionale Abhängigkeit

 

Als am Wesentlichsten stufe ich aber den Punkt der emotionalen Unabhängigkeit der Frauen ein. Im Westen sind Frauen einige Freiheiten zugestanden worden. Sie können ihr eigenes Geld verdienen und wählen. Aber diese ganzen Dinge werden zur Makulatur, wenn es um die emotionale Abhängigkeit der Frau geht. Ihr wird vermittelt, dass sie nichts ist ohne die „romantische Partnerschaft“ mit deren Propaganda wir unentwegt zugedröhnt werden, und deren Perfektion ca. 0,5 Prozent der Paare erreichen. Exemplarisch dafür stehen 1001 Frauenbücher (das ist die rosane Frauenecke in Bücherei und Buchgeschäften) und 1001 ‚romantische Liebeskomödien“, das Beispiel per se ist sicherlich Bridget Jones. Ihr Berufsleben ist ihr eigentlich egal, das Wichtigste ist, ob sie mit oder ohne Mann dasteht. Wenn der Mann fehlt, sind literweise Alkohol-Zigaretten-und Eiskonsum und Komplexe programmiert.

 

Stimmt die Figur?

 

Daher wirkt die alte Erpressungsmethode aus dem 19. Jahrhundert noch immer: Du magst ja ein erfolgreicher ‚Blaustrumpf‘ sein, aber wirklich erfolgreich bist du erst, wenn du einen Mann hast. Und die diktieren natürlich ihre Bedingungen. Die perfekt von den Frauenzeitschriften bedient werden: Wenn die Figur nicht stimmt oder das Styling oder das ansprechende Verhalten, dann nützt dir dein ganzer Erfolg und dein Lebensglück gar nichts. Es ist diese eigentlich lächerliche Erpressungsmethode, mit der sich Frauen heutzutage am Boden halten lassen, auch wenn sie eigentlich unabhängig sein könnten.

 

Mann des Lebens

 

Ricardo Coler bringt diese Lebenseinstellung auf den Punkt: „Sie sehnt sich nicht danach, den Mann ihres Lebens kennenzulernen, mit dem sie ihr Glück vervollständigen kann.“ Mosuo-Frauen hingegen fühlen sich bereits vollständig, so wie sie sind. Ein Zitat hierfür von S. 62: „Ich brauche niemanden von außen, mit dem ich mein Leben teilen kann“. Die Identität der Mosuo-Frau liegt in ihrer Sippe, in der sie ihr ganzes Leben verbringt und die sie niemals verlässt. Sie gibt sich daher auch niemals der Illusion hin, dass Liebe und Zärtlichkeit ausreichen, um einen gemeinsamen Haushalt zu gründen. Diese werden als viel zu flüchtig angesehen, um so eine dauerhafte Institution zu bilden. „Die Mosuo-Frau lebt, wie sie lebt und hat dabei das Gefühl, an ihrem Platz zu sein.“