Am 15. April 2023 ist Deutschland mit der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke aus der Atomkraft ausgestiegen. Seitdem ist mittlerweile ein Jahr vergangen. Das ist ein Jahr ohne gefährliche Hochrisikotechnologie in der Energieerzeugung in unserem Land. Ein Jahr ohne zusätzlichen Atommüll, der über Jahrtausende strahlt. Ein Jahr ohne eine teure Technologie, welche die Energiewende ausbremst.
Ein Jahr Atomausstieg und die Energiewelt ist nicht untergegangen. Auch wenn Markus Söder, Friedrich Merz & Co. über Monate Horrorszenarien an die Wand gemalt haben. Mehr dazu in der umfassenden Bilanz, die mein Team zusammengestellt hat.
Das deutsche und europäische Stromsystem sind auch ein Jahr nach dem Atomausstieg in Deutschland gut aufgestellt. Es gab keine Blackouts, die manche Untergangspropheten an die Wand gemalt hatten.
Denn: Für die Versorgungssicherheit sorgen eine Reihe von Maßnahmen und eine ausreichende Reservekapazität. Daran hat sich auch nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke nichts geändert.
Seit dem Atomausstieg hatten wir immer neue Rekordwerte an erneuerbarem Strom und gleichzeitig immer weniger fossilen Strom im deutschen Netz. Die Gesamtlast ist dabei kaum zurückgegangen.
Zu den konkreten Zahlen vergleichen wir im Folgenden jeweils ein Jahr vor (16.04.2022 bis 15.04.2023) und ein Jahr nach dem Atomausstieg (16.04.2023 bis 14.04.2024). Betrug die Stromerzeugung aus Erneuerbaren vor dem Atomausstieg nur 237 Terawattstunden, so stieg sie nach dem Atomausstieg auf 269 Terawattstunden. Bei der Stromerzeugung aus fossilen Quellen ist die Entwicklung umgekehrt mit einem Rückgang von 210 auf 156 Terawattstunden. Die Gesamtlast blieb ungefähr konstant bei 468 vor zu 459 Terawattstunden nach dem Atomausstieg.
Für diese Entwicklung gibt es verschiedene Gründe. Der wichtigste Grund ist der Zubau an erneuerbaren Stromquellen insbesondere aus Photovoltaik und Windkraft. Mit der aktuellen Regierungskoalition haben wir diesen Ausbau deutlich beschleunigt und die ersten Erfolge sind bereits sichtbar. Ein weiterer Grund für diese Entwicklung liegt im Wegfall der Atomkraft selbst. Denn Atomkraftwerke sind relativ träge und damit blockiert teilweise Atomstrom die Kapazitäten im Netz, wenn eigentlich gerade auch die Erneuerbaren Quellen liefern könnten.
Mit dem Rekordwert an erneuerbarer Erzeugung bei gleichzeitig weiter sinkender fossiler Erzeugung ist klar: Auch unsere CO2-Emissionen im Energiesektor gehen weiter zurück.
Im Jahr 2022 lag der CO2-Ausstoß im deutschen Energiesektor noch bei 257 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Im darauffolgenden Jahr 2023, das Jahr des Atomausstiegs, ging dieser Wert um ganze 20 Prozent auf 205 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurück. Aktuell übererfüllt der Energiesektor sogar seine Treibhausgas-Reduktionsziele.
(Quelle Zahlen: Umweltbundesamt)
Nach dem Atomausstieg ist Deutschland vom Netto-Strom-Exporteuer zum Netto-Importeur geworden. Das bedeutet: Wir importieren mehr Strom aus unseren europäischen Nachbarländer als wir dorthin exportieren. Jedoch beträgt der Nettostromimport im Jahr 2023 mit 11,8 Terawattstunden nur 2% unseres Bruttostromverbrauchs.
Diese Entwicklung bedeutet jedoch nicht, dass wir teuer Strom importieren mussten, um unsere Versorgung sicherzustellen. Deutschland ist nicht abhängig von Stromimporten (anders als unsere Abhängigkeit von fossilen Energieimporten). Die in Deutschland zur Verfügung stehende Kraftwerkskapazität überschreitet unseren täglichen Lastbedarf um ein Vielfaches. Was ist also der Hintergrund?
Das europäische Stromsystem ist darauf ausgelegt, dass Strom miteinander geteilt wird. Am Strommarkt wird immer der Strom eingekauft, der gerade am günstigsten ist. Denn das bringt volks- und betriebswirtschaftliche Vorteile. Ein Beispiel: In Skandinavien gibt es gerade eine Überkapazität an günstigem Strom aus Wasserkraft. Dieser ist in der Regel günstiger als die Produktion etwa der deutschen Gas- oder Kohlekraftwerke. Darum erhalten die Wasserkraftwerke an der Strombörse zuerst den Zuschlag und der Strom fließt aus Skandinavien nach Deutschland. Die Importe haben wir also gerade dann genutzt, wenn Erneuerbare in Deutschland nicht ausreichend Strom zur Verfügung stellen konnten, unsere heimischen fossilen Kapazitäten aber teurer waren als Kraftwerke in unseren Nachbarländern. Meist war das Strom aus erneuerbaren Quellen. Dieser europäische Stromhandel ist also sinnvoll und sorgt sogar dafür, dass mehr erneuerbarer Strom genutzt werden kann.
Den meisten Strom importierte Deutschland im letzten Jahr aus Dänemark in Zeiten, zu denen dort die Windkraft besonders viel Strom produzierte (insgesamt 15,53 TWh). Auf Platz 2 lag Frankreich (9,34 TWh) und Platz 3 Österreich (8,86 TWh).
(Quelle Zahlen: Energy Charts)
Seit dem Atomausstieg sind die Strompreise an der Strombörse weiter gesunken. Dies vor allem an den sinkenden Preisen für fossile Rohstoffe für die Stromerzeugung wie Gas und an dem wachsenden Angebot erneuerbaren Stroms.
Betrachten wir die jährlichen Durchschnittspreise für Deutschland an der Strombörse (Day Ahead Auktion). Lag dieser Preis im Jahr 2022 noch bei rund 235 Euro / MWh, so lag dieser Preis im Jahr des Atomausstiegs 2023 bereits bei rund 95 Euro / MWh. Zuletzt lag der Durschnittspreis für das erste Quartal 2024 bei 67 Euro / MWh. Mit dem Atomausstieg wurde der Strompreis also nicht teurer, und der Trend zeigt weiter klar nach unten.
(Quelle Zahlen: Energy Charts)