Meine Gedanken zu Lützerath

Ihr seht hier ein Archivbild von mir im Hambacher Wald 2018. Damals war ich als parlamentarische Beobachterin dabei und die Auseinandersetzungen dort zu sehen waren sehr prägend für mich. 2020 war ich im Danneröder Wald zur Beobachtung, das war ebenfalls eine Räumung zu Zeiten von Grünen in der Landesregierung. Was ist im Lützi gleich und doch anders?

Gleich ist der Schmerz darüber, dass im Jahr 2023 noch in Deutschland ein Dorf für die Kohle geräumt wird und die Bilder, die wir Alle sehen. Dass Menschen, die sich für Klimaschutz einsetzen, enttäuscht darüber sind, dass wir noch nicht da sind, wo wir angesichts des Ausmaßes der Klimakrise sein müssten. Gleichzeitig finde ich es bemerkenswert, dass sich 35.000 Menschen zu einer Demo nach Lützerath aufmachen, dass in Zeiten, in denen die Klimabewegung und FFF schon vielfach runtergeschrieben wurden, so viele junge und alte Menschen, auch jetzt und mit diesem Ereignis aktiviert werden. Das zeigt, dass Menschen in Deutschland radikale Schritte für den Klimaschutz und den Umbau unserer Wirtschaft wollen. Und dafür muss noch Einiges passieren. Die nächsten Kämpfe, um die es geht, das sind die Verhinderung des Gasdeals mit dem Senegal, einer zu aufgeblähten Gasinfrastruktur, die Eindämmung von CCS-Förderung (der Speicherung von CO2), der Kohleausstieg in Ostdeutschland und die dringend benötigte Verkehrswende.

Wie sehe ich die Rolle von uns Grünen? Es ist nicht neu, dass auch Grüne von der Klimabewegung scharf kritisiert werden und dass ich damit in meiner Rolle der Parlamentarischen Beobachtung konfrontiert wurde. Diese Dynamik wird es geben, weil Aktivist*innen zu Recht fordern, dass Kohle, Öl und Gas sofort im Boden bleiben müssten und sich teilweise auch eine andere Wirtschaftsform wünschen. Weil wir in unterschiedlichen Rollen stecken und wir im Parlament andere Mechanismen haben. Ich möchte aber betonen, dass diese anderen Mechanismen nie als Feigenblatt verwendet dürfen, sondern als Beschreibung des harten Kampfes für andere Mehrheiten, dem wir uns als Abgeordnete dann auch wirklich jeden Tag stellen und diesen eingehen müssen. Aber es macht mir Sorgen, dass sich über Lützerath dieser Graben so bedenklich weit auftut und offensichtlich Verletzungen da sind.

Was ist anders in Lützerath als zum Beispiel im Hambi? Als die Proteste im Hambacher Wald stattfanden, war noch eine Gerichtsentscheidung anhängig. Der BUND hatte damals geklagt. Und die gesellschaftliche Stimmung beeinflusste selbst die Kohlekommission, die den Wunsch nach dem Erhalt des Hambi in ihren Bericht schrieb. Alle diese Fakten, aber insbesondere das Gerichtsurteil gegen die Räumung sorgten dafür, dass der Hambacher Wald erhalten blieb. In Lützerath ist es trotz hartem Kampf am Ende nicht möglich gewesen, eine Mehrheit für den Erhalt zu organisieren. Im Koalitionsvertrag wurde, da unsere Koalitionspartner dagegen waren, nicht der Wunsch des Erhaltes geschrieben, sondern: „Über Lützerath werden die Gerichte entscheiden.“ Die Gerichte haben anders entschieden. RWE war nicht bereit, das Recht auf Abbaggerung aufzugeben. Das ist nicht schönzureden und es konnte nicht verhindert werden. Das rechtfertigt keine aggressive Polizeigewalt. Die Berichte der Menschen vor Ort in Lützerath darüber nehmen wir ernst. Ich kritisiere alle Fälle, in denen es zu aggressiver Gewalt gekommen ist auf das Schärfste. Alle Berichte müssen vom Landtag NRW aufgearbeitet und verfolgt werden.

Auf der anderen Seite ist die Vereinbarung für einen Kohleausstieg 2030 im Rheinland für mich ein sehr wichtiger Schritt. Denn ich war am Schwarzen Tag der letzten Legislatur im Parlament, als ein Kohleausstieg 2038 noch mit Milliarden Euro Entschädigung vergoldet wurde. Das fand ich damals wie heute unnötig. Aber noch schlimmer war die Entschädigung für ein derart spätes Ausstiegsdatum. Das wurde mittlerweile korrigiert und das war wahnsinnig wichtig. Ich finde es gut, dass jetzt rechtlich festgeschrieben wurde, dass 280 Millionen Tonnen Kohle und CO2 im Boden bleiben müssen und dass fünf Dörfer gerettet und 500 Menschen vor der Zwangsumsiedlung bewahrt wurden.

Ja, niemand weiß, ob aufgrund eines niedrigeren Gaspreises in den nächsten Jahren ein Kohleausstieg auch ohne Vereinbarung gekommen wäre. Es kann sein, aber sicher wissen wir es nicht. Aber wir brauchen auch den Beweis, dass dieser Ausstieg tatsächlich kommt. Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, aber auch für viele Partnerländer, die zu uns schauen und die wir für einen früheren Kohleausstieg gewinnen wollen. Ja, für den Kampf gegen die Klimakrise müssen wir noch mehr erreichen. Und es schmerzt, dass wir hier nicht alles durchsetzen konnten, eben nicht die Rettung von Lützerath.

Ohne die Klimabewegung gäbe es überhaupt gar keinen Kohleausstiegsplan und gäbe es auch nicht das, was wir erreicht haben. Was Klimabewegung und Grüne gemeinsam erreicht haben, gegen alle anderen Akteure, die viele Jahrzehnte ohne Wenn und Aber die Kohleausbeutung vorangetrieben haben, dürfen wir nicht klein reden. Die wahren Feinde des Klimaschutzes stehen woanders.

Es gibt kein blindes Vertrauen gegenüber RWE, auch wenn Vertreter*innen meiner Partei mit ihnen am Verhandlungstisch saßen. Bei mir persönlich ändert das gar nichts am Misstrauen gegenüber einem großen Energiekonzern, der in so vielen Fällen gegen die Gesellschaft und für Profit entschieden hat. Als nächstes will RWE Erneuerbare auf Tagebauflächen bauen (gut und hier müssen kleine Akteure mit einbezogen werden) und Gaskraftwerke betreiben (diese dürfen kein fossiles Grab werden). Ich versichere Euch, dass ich gegenüber diesen Akteuren nicht naiv bin und immer kritisch nachfragen werde.

Die Berichte der Menschen vor Ort in Lützerath über Polizeigewalt nehmen wir ernst. Ich kritisiere alle Fälle, in denen es zu aggressiver Gewalt gekommen ist auf das Schärfste. Alle Berichte müssen vom Landtag NRW aufgearbeitet und verfolgt werden.

Bitte schreibt mir gern Eure Infos, Gedanken und Feedback zum Thema Lützerath.