Ende Gelände – Ein Einblick in die Geschehnisse am Tagebau Garzweiler

Die Bundesregierung ist entweder planlos oder politisch nicht willens das Ende der Kohleverstromung einzuläuten. Planlos kann sie jedoch eigentlich nicht sein, denn Handlungsempfehlungen der Kohlekommission liegen schon seit Monaten auf dem Tisch. Doch noch immer liegt kein Kohleausstiegsgesetz vor und bis mindestens Ende dieses Jahres wird die Bundesregierung diesen Prozess auch weiter verschleppen. Auch deswegen haben die Aktivist*innen von Ende Gelände einen legitimen Punkt, auf die Dringlichkeit und die absolute Notwendigkeit eines sofortigen Kohleausstieges aufmerksam zu machen. Ein Einblick in die Geschehnisse am Tagebau Garzweiler.

 



 

Samstagabend – Bereits seit Stunden sitzen im Tagebau Garzweiler einige hundert Aktivist*innen zusammen. Es ist heiß und die Aktivist*innen haben Durst. Doch RWE lässt den Versorgungswagen von Ende Gelände nicht durch und die Polizei lässt die Gruppe nicht gehen. Drei Stunden braucht die Polizei, um zu entscheiden, wie vorgegangen werden soll: Identitätsprüfung und zwar von allen. Erst nach Stunden verteilt die Polizei Wasser, um drei Uhr nachts gibt es Brot, um sieben Uhr in der Früh kleine Lunchpakete. Insgesamt 18 Stunden dauert es, bis alle Aktivist*innen aus dem Tagebau gelassen wurden. Zu lange, wie auch die Polizei zugestand, lediglich 12 Stunden sind zur Identitätsprüfung erlaubt. Die Polizei hatte weder die Autos noch die Fahrer*innen, um alle Aktivist*innen abzutransportieren. Doch weil RWE weiter den Strafantrag wegen Hausfriedensbruch aufrechterhielt, musste die Polizei alle Identitäten prüfen lassen. Eine anstrengende Nacht für alle Beteiligten, die schier endlose Warterei schlug vielen von uns irgendwann in Verzweiflung um. Als in den Morgenstunden dann endlich Busse zum Abtransport zur Verfügung gestellt wurden, fuhren die meisten freiwillig mit. Glücklich und unversehrt, aber völlig erschöpft.

 

 

Mehrere tausend junge Aktivist*innen hatten sich am Wochenende im Rheinischen Braunkohlerevier zusammengefunden, um ein friedliches Zeichen zu setzen: für Klimaschutz und für den sofortigen Ausstieg aus der Kohle. Dabei organisieren sich die Aktivist*innen basisdemokratisch: sie finden sich in Gruppen von ein paar hundert Personen, den sogenannten Fingern, zusammen, im Plenum wird besprochen, wie vorgegangen wird. Jede*r hat darin wiederum eine kleiner Bezugsgruppe, jede*r kann so weit gehen, wie er/sie es sich zutraut. Solange es friedlich ist, ist alles ok.

 

Mitten im Tagebau Garzweiler befand ich mich zwischen den Aktivist*innen des goldenen Fingers. Gemeinsam mit Grünen und Linken Kolleg*innen aus dem Bundestag, dem Landtag und dem Europaparlament war ich als Parlamentarische Beobachterin vor Ort, um das Geschehen zu überblicken und zu vermitteln. Ich trug Forderungen der Aktivist*innen an die leitenden Polizeikräfte und umgekehrt. Weil das polizeiliche Bürgertelefon nicht funktionierte, kommunizierte ich die Probleme der Polizei direkt kommuniziert und im Gegenzug dafür, dass die Aktivist*innen mit Wasser und Essen versorgt wurden.

 

 

Die Polizei taktierte, verzögerte Informationen, musste immer wieder selbst lange auf Entscheidungen des Polizeiführers in Aachen warten – eine echte Geduldsprobe. Allein während meiner Anwesenheit wechselte die Polizei dreimal die Schicht, die Aktivist*innen wurden weiter festgehalten. Doch insgesamt wirkten die Polizeibeamten vor Ort auf mich deeskalierend und friedlich, ich konnte keine unangemessene Gewalteinwirkung beobachten. Die Kommunikation und der Kontakt zwischen Beamt*innen und Aktivist*innen und uns Parlamentarischen Beobachter*innen lief größtenteils gut.

 

Die Botschaft des Protestes von Ende Gelände ist klar: Nach jahrelangem Stillstand müssen Bundes- und Landesregierung in Sachen Klimaschutz jetzt und nicht irgendwann handeln. Die Menschen erwarten nach fast fünf Monate nach Vorlage des Berichts der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, dass der Kohleausstieg nicht weiter auf die lange Bank geschoben wird. Jetzt müssen Kraftwerke abgeschaltet, Erneuerbare Energien ausgebaut und CO2 eingespart werden. Nur so lassen sich die Klimaziele einhalten. Kohlekraft ist ein Auslaufmodell. Und solange die Bundesregierung das nicht begreift, werden die Stimmen der jungen Zivilgesellschaft um Ende Gelände nur lauter: Kohlestopp, jetzt!