Umfragehochs und täglicher Kampf

Mein kleiner Jahresrückblick auf 2011

2011 war das Jahr des Atomausstiegs und der rechten Terrorgruppe, der Umfragehöhenflüge und des Piratenerfolgs. Nebenbei ist politisch in kleineren Universen viel passiert: In meinem Fall im Landkreis Forchheim. Und die bayerischen Grünen haben sich zur 3. Startbahn und zur Heimat positioniert. In den Medien sind Themen nur wenige Tage in den Schlagzeilen, aber die Wahrheit ist doch, dass man Ewigkeiten dranbleiben muss, um etwas zu erreichen.

 

Die Kommune ist bunt

 

Natürlich drängt sich der Gedanke an die Energiepolitik auf: 30 Jahre Kampf für den Atomausstieg. Aber auch kommunal ist Ausdauer nötig. Das kleine Städtchen Gräfenberg in unserem Landkreis wurde zehn Jahre lang Monat für Monat von den Rechten Kameradschaften heimgesucht. Monat für Monat hielt das Bündnis „Gräfenberg ist Bunt“ Gegenkundgebungen ab. Mittlerweile werden die Engagierten aus Gräfenberg noch mehr als zuvor von den Medien angefragt, die versuchen den braunen Terror zu verstehen. Das Mindeste was wir tun konnten, war mit unserer Präsenz in Gräfenberg zu zeigen, dass wir das Bürgerforum unterstützen. Aber natürlich kann man sich von außen gar nicht vorstellen, was für ein wahnsinniger Kraftakt dieser Widerstand ist. Ich ziehe daher noch einmal den Hut vor allen Gemeinden, die ganz konkret von rechten Aufmärschen bedroht sind. Mein Wunsch für das nächste Jahr: Der Landrat und alle politisch Verantwortlichen sollen endlich von Ignoranz auf Widerstand umschalten. Gerade in Franken, einst Zentrum der NS-Politik, müssen wir die Demokratie aktiv verteidigen.

 

Grüne Revolution

Kommen wir jetzt doch zur Energiewende: Ich habe immer die grünen Grundwerte geteilt und mich für die Energiewende – mittlerweile muss man ja schon fast Energierevolution sagen, um es den vielen Wendehälsen nicht zu leicht zu machen – eingesetzt. Aber selten wurde mir wie in diesem Jahr bewusst, dass von uns Grünen mehr als von allen anderen Parteimitgliedern erwartet werden (muss), dass wir über Kilowattstunden, abgeschaltete Atomkraftwerke und Windkrafttrassen Bescheid wissen. Auf einem Extra-Parteitag in Berlin befragte uns die Parteispitze, ob wir für Merkels Vorschlag stimmen sollten oder nicht. (Hier meine Abwägung) Nach Fukushima kam auch bei uns die Anregung von grünen Mitgliedern, dass wir eine Mahnwache in Forchheim abhalten sollten. Daraufhin habe ich die Organisation übernommen und SPD und BUND mit ins Boot geholt. Im Laufe der Zeit wurden die Mahnwachen zum Selbstläufer mit bis zu 160 Personen auf dem Rathausplatz. Mittlerweile ist unser engagierter OV in Neunkirchen dabei dort eine Energiegenossenschaft zu gründen!

 

Emanzipatorische Wurzel

Die Begeisterung für eine alternative Energieversorgung hat uns einen riesigen Zuspruch beschert. Mittlerweile müssen wir aber aufpassen, dass andere Themen nicht ins Hintertreffen geraten. Daher bin ich sehr froh, dass wir mit Doris Wagner und Dani Müller ein sehr aktives Sprecherinnenteam für den LAK Frauen haben. Zusammen haben wir dann einen ausgefeilten Antrag zur Abschaffung des Ehegattensplittings erstellt. Den Antrag durfte ich auf dem Landesparteitag in Bad Windsheim vorstellen, der ihn mit großer Mehrheit angenommen hat. Schließlich wurde unsere Forderung auch beim Bundesparteitag in Kiel unter der Ägide von Wolfgang Strengmann-Kuhn eingebracht und ist nun Teil des finanzpolitischen Konzepts. Mit dem ersten Tag der Regierungsverantwortung wird die leidige Subventionierung der Hausfrauenehe also hoffentlich abgeschafft!

 

Gleicher Lohn

Viel Zuspruch erhielten wir in Forchheim mit unserer Unterschriftensammlung für gleichen Lohn für gleiche Arbeit, eine Aktion des Deutschen Frauenrats. Viele angesprochene Frauen waren ungeachtet unseres (in Forchheim teilweise immer noch verpönten Igitt-Parteilogos) sofort bereit zu unterschreiben und bestätigten aus eigener Erfahrung die sozioökonomische Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Auch in der Verkehrsplanung konnten wir darauf hinweisen, dass die autozentrierte Planung der Stadt FußgängerInnen und Menschen mit Kinderwägen sowie sonstigen Einschränkungen benachteiligt. Die MdBs Toni Hofreiter und Agnes Krumwiede besuchten uns zum ‚Gender Walk‘. Der umgebaute Marktplatz, der mittlerweile nur noch ein riesiger Parkplatz ist, stieß allgemein auf Ablehnung. Dieser Meinung waren auch die BürgerInnen Ende des Jahres beim Stadtentwicklungskonzept. Wieder einmal haben wir Grünen also die richtigen Defizite benannt.

 

Politik & Konsens?

Irgendwie habe ich dieses Jahr nicht viel davon gemerkt, dass wir Grüne Oppositionspartei sind. Politik soll sachlich bleiben, aber sie besteht nicht aus purer Harmonie. Aber betrachten wir die großen Entscheidungen: Dem Atomausstieg haben wir gemäß Parteitagsbeschluss zugestimmt, beim Afghanistan-Einsatz haben sich die meisten enthalten, bei ALLEN Euro-Rettungsbeschlüssen haben wir zugestimmt. Mag sein, dass dieses Jahr so viel Harmonie nötig war, aber für die Zukunft wünsche ich mir das nicht. Warum stellen wir nicht knallharte Bedingungen, bevor die Banken wieder Gelder erhalten? Seit 2009 ist bei der Finanzmarktregulierung einfach nicht genug passiert. Diesen Fragen ging auf einer abstrakteren Ebene das Institut der Solidarischen Moderne bei seiner Summer Factory in Kassel nach. Ich hatte das Glück im Workshop mit meinem persönlichen grünen Guru, Sven Giegold, zu sitzen. Es war toll, auch mal Linke außerhalb der eigenen Partei zu treffen und den Horizont zu erweitern.

 

Grünes Gedankengut bei den Konservativen

Dass ich für den Botschafter der Fairen Kommune in Bayern, MdB Uwe Kekeritz, arbeite, hat natürlich positiv auf mich abgefärbt. Mir wurde bewusst, wie wir indirekt auch mit Staatsgeldern die Ausbeutung der Länder des Südens vorantreiben. Uwe war dieses Jahr im Forchheimer Eine Welt-Laden zu Besuch. Daher bin ich sehr froh, dass nun auch Forchheim Fair-Trade-Town ist. Der Antrag kam von den Freien Wählern. Wir Grüne begrüßen die Erleuchtung der Konservativen und werden dranbleiben, um sie immer wieder an ihre Verantwortung zu erinnern.

Soziale und ökologische Kriterien in der Vergabe

Der bewusste Konsum mit staatlichen Geldern umfasst nicht nur faire Produkte aus Übersee, sondern natürlich auch fair in Deutschland hergestellte Produkte. Außerdem sollte der Staat auch keine ökologisch fragwürdigen Produkte unterstützen. Mit diesen vielen Richtlinien fühlt sich die eine oder andere Kommune überfordert und möchte dann lieber gar nichts mehr umsetzen. Ich denke aber: An verantwortungsvoller Vergabe führt kein Weg mehr vorbei! Dennoch handelt es sich um ein juristisch schwieriges Feld, insbesondere bei sozialen Vorgaben, die direkt nichts mit der Herstellung eines Produkts zu tun haben. Daher werden momentan überall juristisch angehauchte Kongresse zu dem Thema angeboten. Einige habe ich für meine Arbeit bei Uwe Kekeritz besucht und auch einen Artikel im GRIBS Rundbrief veröffentlicht.

Das Jahr hat dann damit geendet, dass wir einen neuen Kreisvorstand gewählt haben. Der seit langem amtierende Kreissprecher Karl Waldmann und die Sprecherin Maria Riediger wollten gern die Verantwortung auf andere übergeben. Das neue Vorstandsteam besteht aus Holger Kotouc (Sprecher), mir als Sprecherin, Sabine Sklenar als Schriftführerin, Franz-Josef Amling als Kassier und Francois Gaborieau als Beisitzer.