Unbeirrt von Klimawandel, Energiewende und der Unrentabilität von Braunkohlekraftwerken macht RWE weiter. Sie planen noch ein Großteil des Hambacher Forsts zu roden, um den Kohleabbau weiterzubetreiben. Der Forst liegt unweit von Köln, bei der S-Bahn Station Buir, nahe Düren. Die Ortschaft Morschenich ist bereits fast vollständig geräumt. Es regt sich dort kein großer Widerstand, wahrscheinlich weil die meisten AnwohnerInnen bei dem Konzern arbeiten.
In dem ebenfalls angrenzenden Buir hingegen ist seit Jahren die Initiative „Buirer für Buir“ aktiv und setzt sich für Klimaschutz ein. Es gibt Kontakte von den BesetzerInnen zu „Buirer für Buir“ und auch gute Zusammenarbeit mit etwa dem Autonomen Zentrum in Köln, der Zivilgesellschaft und Politik. Bei Waldspaziergängen informieren die AktivistInnen alle Interessierten über die Reste des Hambacher Forsts und ihren Widerstand. Regelmäßig kommt ein Kontaktbeamter der Polizei zu den BesetzerInnen, um einen Austausch und die Rückkopplung an die Staatsmacht zu gewährleisten. Aber wie kann das konkret helfen?
Denn Zentimeter um Zentimeter verteidigen die Aktiven das Gelände vor weiterer sinnloser Rodung für eine Technologie, die lngst an ihrem Ende angekommen ist. Billiger Braunkohlestrom verstopft die Netze und verhindert weiteren Fortschritt. Aber Zentimeter um Zentimeter gewinnt RWE an Boden. Schon in den siebziger Jahren haben die umliegenden Ortschaften den Forst an RWE verkauft. Mit dem Geld konnten Bildungseinrichtungen und Schwimmbäder gebaut werden. Aber die Grundstücksrechte fehlen nun, um eine weitere Zerstörung zu verhindern.
Der einzig Standhafte ist Kurt, dem noch ein schmaler Streifen Land gehört, auf dem sich ein Teil der Wiesenbesetzung abspielt. Obwohl ihm RWE schon 13.000 Euro dafür geboten hat, weigert er sich zu verkaufen.
In einigen sehr hohen Baumriesen haben sich Menschen Baumhäuser gebaut. Es hat viele Jahre gedauert, bis die Riesen gewachsen sind und es dauert nur wenige Stunden sie umzusägen. Die Arbeiter und die sie begleitenden Sicherheitstrupps von RWE fällen mit Vorliebe zuerst die für Baumhäuser geeigneten Stämme. Dort wo schon jemand wohnt, gibt es keine Ankündigung, der jenige wird vom Lärm geweckt. Wer sich weigert sein Baumhaus zu verlassen, wird mehrere Tage von RWE und Polizei umlagert. Wer sich zu lang wehrt, kann wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt belangt werden und wenn es dumm läuft auch einige Wochen oder sogar Monate in der U-Haft verbringen.
Die Camp-BewohnerInnen führen ein Leben mit Subsistenzwirtschaft, wie es sich viele von uns in ihrem komfortablen und hochtechnisierten Alltag wünschen, zumindest in der Theorie. Energie wird vom hauseigenen und selbstgebauten Windrad sowie eigenen Solarzellen erzeugt. Das Essen kommt vom food-sharing, Containern, Essensspenden oder von Selbstangebautem. Ich ertappe mich dabei meinen eigenen Lebensstil einmal mehr zu hinterfragen, zwar lebe ich „grün-bewußt“, aber Laptop und Smartphone sind dabei Usus. Manchmal kann ich es auch nicht vermeiden Lebensmittel wegzuschmeißen, so wenig mir das gefällt. Und erneuerbare Wärmeversorgung haben auch die wenigsten von uns. Vielleicht diejenigen, die sich ein eigenes Passivhaus gebaut haben. Aber können wir es uns eigentlich leisten, dass jede Familie sich irgendwo ein eigenes Haus hinbaut? Viele Fragen, die uns in der Industriegesellschaft umtreiben. Ich habe großen Respekt vor diesem bescheidenen Lebensstil.
Während die Kohle-SPD den schon längst unumkehrbaren Kohleausstieg weiter verschleppt und es für alle Beteiligten noch schlimmer macht, während Sigmar Gabriel der Worst Case als „Energieminister“ ist, steht der Staat nicht auf der Seite der Enteigneten von Land und den Orten, in denen sie aufgewachsen sind. Der Staat stehtihnen Gegenüber und verteidigt mit Polizeischutz die Profitinteressen der Konzerne.Schade, dass ziviler Widerstand momentan noch das Einzige ist, was sich RWE im Hambacher Forst entgegenstellt. Politikwechsel ist nötig – Jetzt!