Europa und Flüchtlinge – Dichtung und Wahrheit

Die europäischen „Regeln“ zur Aufnahme von Flüchtlingen haben sich als obsolet erwiesen. Das Dublin-III Abkommen ist nicht mehr existent. Dass der Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, dessen Boden zuerst betreten wird, war der Beginn der europäischen Unsolidarität. Die deutschen Krokodilstränen haben im Jahr 2015 sollten nicht verdecken, dass wir uns noch vor kurzem gegen Flüchtlingsquoten gewehrt haben. Unsere Regierung hat es lieber gesehen, dass Italien und Griechenland sich des „Problems“ annehmen. Aber nicht zum ersten Mal in der Politik wurde ein ungültiges Regime von der Realität überholt. Wie schon andere Grenzziehungen und Regeln, die gar keine Gültigkeit mehr haben, wenn eine kritische Masse von Menschen sie überwindet.

Wir können uns nicht einmauern, wenn die Welt von Krisen und Konflikten heimgesucht wird. Natürlich sollte jedes europäische Land seinen Anteil leisten, entsprechend der wirtschaftlichen Stärke und die momentane Haltung unserer Nachbarländer ist beschämend. Aber wir dürfen eben unseren eigenen Anteil nicht vergessen. Nach einem Anstieg der Flüchtlingszahlen in den achtziger Jahren und insbesondere in den neunziger Jahren aufgrund der Jugoslawienkriege, konnte der Bundestag 1993 gar nicht schnell genug das Recht auf Asyl einschränken. Das war auch die Reaktion auf die die Geschehnisse in Hoyerswerda und anderswo: Nach den Ausschreitungen bekamen die Rechten ein politisches Geschenk während die vietnamesischen VertragsarbeiterInnen schnellstens wieder nach Hause geschickt wurden. Die einzige Partei, die dagegen gestimmt hat, war übrigens Bündnis 90/Die Grünen.

Nun könnten laut Schätzung der Bundesregierung 800.000 Flüchtlinge in diesem Jahr Schutz in Deutschland suchen, vielleicht können es ja auch eine Million sein. Das ist ohne Zweifel neben der riesigen Bereicherung, die jeden Tag kommuniziert und verbreitet werden muss, natürlich auch eine Herausforderung. Ja, die Ämter, Bürokratie und Politik müssen sich umstellen, Ehrenamtliche werden gesucht, außergewöhnliche Lösungen müssen gefunden werden und ausgefallener Sportunterricht aufgrund belegter Turnhallen ist sicherlich noch die geringste Änderung. Wir müssen uns vielleicht sogar in unserem Alltag umstellen, jedeR auf ihre/seine Weise. Aber das ist auch selbstverständlich und unsere Pflicht. Darüber kann es auf Grundlage menschlicher Grundwerte keinerlei Diskussionen geben und in einem Land mit dieser Geschichte noch viel weniger.

Und das Thema Flüchtlinge ist nicht nur im Sommer und Herbst 2015 aktuell sondern immer und zu jeder Zeit und auch wenn die Nachrichten nicht darüber berichten. Und hier müssen wir Grüne klare Kante zeigen. Natürlich geht es nicht um die Diskussion über sichere Herkunftsländer, sondern es geht darum, legale Arbeitsmigration aus dem Balkan zu ermöglichen. Es geht darum, dass Menschen eine Ausbildung bekommen und diese anwenden können, selbst wenn vielleicht nicht alle dauerhaft in Deutschland bleiben. Aber sie können damit irgendwann vielleicht wieder ihr eigenes Land bereichern.

Aber auch wenn es nicht in der Hauptsache darum geht, sollten wir Grüne klare Kante zeigen und sagen dass wir gegen eine weitere Ausweitung der sicheren Herkunftsländer sind. Und wir sollten deutlich machen, dass wir mit der CSU-Hetze nicht in einen Topf geworden werden wollen. Ja, es mag CSU-LandrätInnen geben, die total engagiert für Flüchtlinge sind. Ist das eigentlich so besonders, dass es ständig betont werden muss? Dass es sogar grüne FunktionsträgerInnen unaufhörlich betonen müssen? Ist das nicht sowieso erste WahlbeamtInnenpflicht?! Aber es gibt leider eine CSU-Staatsregierung, die den rechtlichen Rahmen setzt und allen zusetzt, die für eine fortschrittliche Zuwanderungspolitik eintreten. Und das werden wir nicht akzeptieren.